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Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks

Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks

Titel: Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
Autoren: Sara Paretsky
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seine Uhr. »Ich muß mich wieder an die Arbeit machen. Ich hoffe, daß Ihre Freundin was Neues findet.«
    Dem konnte ich nur zustimmen, und ich fuhr los, um mich mit einem Optimismus, der nur meiner Unerfahrenheit zu verdanken war, auf Wohnungssuche zu machen. Ich begann im Wohnungsamt auf der südlichen Michigan Avenue, wo ich mich in eine lange Schlange einreihte. Frauen mit Kindern aller Altersstufen waren da, alte Männer, die murmelnd mit sich selbst sprachen, wild die Augen rollten, Frauen, die ängstlich Koffer oder kleine Einrichtungsstücke umklammerten – ein offenbar endloser Strom von Menschen, die irgendeine dramatische Wendung ihres Lebens auf die Straße geschleudert hatte.
    Die hohen Schaltertresen und die kahlen Wände vermittelten uns ein Gefühl, als seien wir Bittsteller vor den Toren eines sowjetischen Arbeitslagers. Es gab nicht einen Stuhl; ich zog eine Nummer und lehnte mich an die Wand, um zu warten, bis die Nummer aufgerufen wurde.
    Neben mir rackerte sich eine hochschwangere junge Frau, die einen größeren Säugling auf dem Arm hatte, mit einem Kleinkind ab. Ich bot an, das Baby zu halten oder den Zweijährigen abzulenken.
    »Ist schon gut«, sagte sie mit leiser langsamer Stimme. »Todd ist bloß müde, weil er die ganze Nacht auf war. Wir konnten nicht ins Asyl, weil dorthin, wo sie uns geschickt haben, keine Babys dürfen. Ich hab kein Geld mehr für den Bus gehabt, noch mal herzukommen und denen hier zu sagen, daß sie uns etwas anderes besorgen müssen.«
    »Und was haben Sie dann gemacht?« Ich wußte nicht, was entsetzlicher war – ihre Notlage oder die sanfte Resignation, mit der sie darüber sprach.
    »Ach, wir haben eine Parkbank an der Edgewater Avenue gefunden, in der Nähe vom Asyl. Das Baby hat geschlafen, aber für Todd war’s einfach zu unbequem.«
    »Haben Sie keine Freunde oder Verwandten, die Ihnen helfen können? Was ist mit dem Vater des Babys?«
    »Ach, der würde schon versuchen, was für uns zu finden«, sagte sie teilnahmslos. »Aber er kriegt keine Arbeit. Und meine Mutter, bei der haben wir gewohnt, aber sie hat ins Krankenhaus gemußt, und jetzt sieht es so aus, als ob sie lange krank ist, und sie kann sich die Miete nicht mehr leisten.«
    Ich schaute im Raum umher. Dutzende von Menschen warteten vor mir. Die meisten sahen so ausgebrannt aus wie meine Nachbarin, Menschen, die zuviel Scham gebrochen hatte. Und wer nicht so aussah, war aggressiv, wartete darauf, sich mit einem System anzulegen, gegen das man keine Chance hatte. Da war kein Zweifel, Elenas Bedürfnisse – meine Bedürfnisse – rangierten weit hinter ihrem Anspruch auf eine Notunterkunft. Ehe ich ging, fragte ich die Frau, ob Todd und sie etwas zum Frühstück mochten – ich wollte hinüber zu Burger King gehen und etwas besorgen.
    »Hier lassen sie einen nichts essen, aber vielleicht können Sie Todd mitnehmen, damit er etwas bekommt.«
    Todd war absolut dagegen, sich von seiner Mutter zu trennen, auch wenn es um Essen ging. Schließlich ließ ich ihn jammernd neben ihr zurück, ging zu Burger King, kaufte ein Dutzend Frühstücksbrötchen mit Eiern und wickelte alles in eine Plastiktüte, damit niemand sah, daß es sich um Essen handelte. Die Tüte gab ich der Frau und verschwand so schnell wie möglich. Schauer liefen noch immer über meine Haut.

3 Kein heiliger Petrus
    Unterkünfte, die Elena sich hätte leisten können, hatten wohl kein Geld für Inserate. Die Pensionen, die im Branchentelefonbuch aufgeführt waren, kosteten hundert Dollar pro Woche und mehr. Für ihr kleines Zimmer im Indiana Arms hatte Elena fünfundsiebzig im Monat bezahlt.
    Ich verbrachte vier Stunden mit vergeblichem Pflastertreten. Ich durchkämmte Near South Side, klapperte die Cermak Road ab zwischen Indiana Avenue und Halsted Street. Vor hundert Jahren gab es hier viele Hotels mit wohlklingenden Namen. Als sie an das Nordufer umgezogen waren, kam die Gegend schnell herunter. Heute sieht man hier nur leere Grundstücke, Autohändler, Kneipen und kaum noch eine Pension. Vor ein paar Jahren hat jemand beschlossen, eine Häuserzeile im ursprünglichen Stil renovieren zu lassen. Die Häuser bilden nun eine makabre Geisterstadt, leere luxuriöse Hülsen inmitten des Verfalls, der sich im Viertel breitmacht.
    Über mir die Stützpfeiler der Dan-Ryan-Hochbahn, kam ich mir winzig und unnütz vor, wie ich so von Tür zu Tür ging und betrunkene oder gleichgültige Portiers nach einem Zimmer für meine Tante fragte. Ich
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