Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks

Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks

Titel: Brandstifter - Paretsky, S: Brandstifter - Burn Marks
Autoren: Sara Paretsky
Vom Netzwerk:
sollten.
    »Du könntest wenigstens versuchen, Hilfe zu holen«, jammerte er. »Du hast auf mich geschossen – du bist mir etwas schuldig.«
    »Ernie, Herzchen, ich habe auf dich geschossen, weil du mich hinunterstoßen wolltest. Ich klettere im Finstern keine dreißig Stockwerke die Leiter hinunter, schon gar nicht, wenn ich die Hände nicht richtig bewegen kann.«
    Daraufhin fluchte Wunsch noch mehr, dieses Mal auf seine Partner. Offenbar hatte Furey den Schlüssel zu meinen Handschellen Cray gegeben – er hatte sie aufschließen sollen, ehe ich hinunterfiel – sie wollten nicht das Risiko eingehen, daß mich jemand fand, ehe sie da waren. »Jetzt schau dir bloß dieses Arschloch an. Haut ab und läßt uns hier oben sterben.«
    »Ich habe dich für einen echten Macho gehalten«, sagte ich mißbilligend. »John Wayne hätte niemals herumgelegen und seine beschissenen Kumpel verwünscht, bloß weil er eine Kugel abbekommen hat.«
    Ernie beschimpfte mich, dann bat er mich, mein Sweatshirt auszuziehen und ihn damit einzuwickeln, ihm sei von dem Blutverlust so kalt.
    »Ernie, ich krieg es nicht über die Hände. Weißt du noch? Sie sind zusammengeschlossen. Außerdem habe ich sowieso keine Lust, die ganze Nacht hier mit nichts als einem BH zwischen mir und dem kalten, grausamen Wind zu verbringen.«
    Ernie warf mir noch ein paar phantasielose Schimpfwörter an den Kopf, dann wurde er still. Wenn das nur auch für Elena gegolten hätte. Nachdem sie einmal im Leben die Rolle einer Heldin gespielt hatte, wurde meine Tante geschwätzig. Sie redete, als ob sie eine Injektion Pentobarbital bekommen hätte, sprach über ihre Kindheit, über ihre Streitereien mit ihrer Mutter, darüber, was Tony sagte, als er allen ihren Puppen das Haar abgeschnitten hatte, das war, als sie acht war.
    Nach einer Weile glaubte ich, der gefühlsbetonte, zusammenhanglose Redestrom werde mich zum Schreien bringen. Ernie fand ihn so unerträglich, daß er verlangte, ich solle sie zum Schweigen bringen.
    »Sie treibt mich mit diesem Gewäsch zum Wahnsinn«, erklärte er. In seinem Wohnzimmer führte das vermutlich sofort zum Erfolg. Ich konnte mir vorstellen, wie LeAnn kicherte und sagte: »Du bist ja so süß, Ernie«, aber ihre strapaziösen Freundinnen, Kinder oder Mutter in die Küche schaffte. Ich fragte mich, was LeAnn und Clara jetzt gemacht hätten.
    »Sie tut dir doch gar nichts, Ernie. Hör ihr zu – das lenkt dich von deinen Sorgen ab.« Ich bat Elena, eine besonders wirre Geschichte zu wiederholen, bei der es um meinen Onkel Peter, einen Hund und den Blumengarten des Nachbarn ging.
    Ich weiß nicht, wieviel Zeit vergangen war, bis ich hörte, daß der Aufzug zurückkam. Es kann nicht lange gedauert haben, aber allein in der Finsternis mit dem Verletzten und dem Geplapper kam es mir vor, als seien es Stunden gewesen.
    Ich brachte Elena dazu, still zu sein und sich mit mir hinter einen Pfeiler zurückzuziehen. »Ganz still, Tantchen. Vielleicht sind sie zurückgekommen, um uns zu erschießen, und wir wollen ihnen nicht auch noch dabei helfen, uns zu finden.«
    »Klar, Vicki. Du weißt, was du tust. Alles, was du sagst. Ich habe noch nie im Leben so viel Angst gehabt wie da, als der Junge mit den wunderschönen Augen mich im Schnapsladen –«
    Ich legte ihr die Hand auf den Mund. »Sei still, Liebling, jedenfalls jetzt. Du kannst mir alles später erzählen.«
    Der Aufzug kam ächzend zum Stehen. Meine Hände waren steif von der Kälte. Ich konnte mich kaum daran erinnern, welche die rechte und welche die linke war. Ich zählte mühsam im Kopf, versuchte auszurechnen, wie viele Kugeln noch im Magazin waren. Ich versuchte, das Zittern in der rechten Hand zu unterdrücken, damit ich sie an den Fingern abzählen konnte.
    Ich wartete auf das Geräusch der aufgehenden Tür und auf Schritte auf dem Beton. Als eine Weile ohne Laute vergangen war, schaute ich um den Pfeiler herum. Ich konnte den Aufzugkasten nicht sehen. Über den Wind und Elenas nervöses Geflüster hinweg lauschte ich angespannt. Schließlich bewegte ich mich in der Dunkelheit weg von ihr, überhörte ihren jämmerlichen Aufschrei.
    Zu meiner Linken sah ich einen schwankenden Lichtstrahl. Ich ging vorsichtig darauf zu, verlagerte bei jedem Schritt mein Gewicht auf die Ferse, bis ich sicher war, daß ich nicht auf ein Loch stieß. Ernie hatte von einer Leiter im Schacht für das Treppenhaus gesprochen. Das mußte Cray oder ein anderer Komplize sein, der hoffte, er könne
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher