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Bran

Bran

Titel: Bran
Autoren: Matthias Falke
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Flämmchen, die zeremonielle Bedeutung hatten oder aufdringliche Wohlgerüche ausdünsteten, aber zur Erhellung der Situation nur wenig beitrugen. Straner erkannte Buddhas, tantrische Gottheiten von Azral und Kirgol, Bildnisse des aktuellen Herrschers, Mordal Khan – Gott möge ihn ewig schirmen! –, animierte pornographische Szenen, orthodoxe Ikonen aus Panesh und anderen Tand. Im Halbdämmer der verwinkelten Gassen starrten ihn die zerklüfteten Gesichter aller Rassen der besiedelten Galaxis an wie unentzifferbare Runen in einem jahrtausendealten Pergament. Proselytenmacher und Prostituierte versuchten, ihn in ihre Nischen zu locken. Verkäufer von Stoffen, religiösem Kitsch oder technischem Firlefanz redeten in Dutzenden verschiedener Sprachen auf ihn ein. Die Köche der brutzelnden Straßenrestaurants hielten ihm lebende Skorpione oder in ranzigem Fett gesottene Nagetiere vor die Nase. Er wehrte all diese Angriffe kaum ab, sondern wand und schlängelte sich zwischen ihnen durch wie ein Fluss, der von allen Katarakten nicht aufgerieben werden kann, sondern der durch alle Zuflüsse nur reicher und mächtiger wird.
    In der viskosen Enge der Gassen schoben sich die Menschen aneinander vorbei wie Ratten in einem Trakt der Kanalisation. Manche Verkäufer wurden von Selbstläufern begleitet, primitiven Bots, die sich mit zwei klackernden Beinpaaren vorwärts stakten, auf denen Gestänge zur Befestigung der Ware angebracht waren. Meist war es Tand. Billige Süßigkeiten, alberne Souvenirs für Touristen, Gimmicks für Kinder und für Erwachsene, Hygieneartikel und elektronischer Firlefanz. Von Viertel zu Viertel, manchmal von Block zu Block, veränderte sich die Zusammensetzung des Sortiments. Hier gab es eine Straße lang nur die ledrigen Feigen und die schlaffen Melonen dieser Welt, die von finster blickenden Trabeenern feilgeboten wurden, dort Gemüse oder Krustentiere, von vornehmen Paneshiern zu perfekten Pyramiden aufgetürmt.
    In den Auslagen der winzigen Läden stapelten sich Stoffe und Tuche, darunter die im ganzen Cluster berühmen und begehrten selbstklimatisierenden Gewebe der Serafidin. Im fahlen Halbdunkel der Boxen schimmerten Töpfe und Pfannen aus handgehämmertem Kupferblech, ein Exportartikel von Kirgol. Dann reihten sich endlos erscheinende Folgen von Gewürzen oder Farbpulvern aneinander, die ganze Straßenzüge in Paletten delirierender Maler verwandelten. Ersatzteile für alle erdenklichen technischen Geräte baumelten in den Verkaufskäfigen oder wurden auf dem Boden ausgebreitet. Fakire und andere selbst ernannte Heilige häuften sich im Dunstkreis von Tempeln oder Klöstern, die mitten im Großstadtgebirge kauerten wie Schneeleoparden in ihren Höhlen. Manche hatten ein Schild um den Hals, auf dem ihre Fähigkeiten beschrieben wurden. Sie konnten weissagen, in die Zukunft schauen, den Aussatz heilen. Andere priesen ihre asketischen Künste. So stand ein Mann im dunklen Winkel eines verfallenen Gebäudes, der seit Jahrzehnten den Arm in die Luft reckte. Die Hand war zu einer knöchernen Kralle verkümmert, der Unterarm ein von Elle und Speiche aufgespanntes Gespinst. Das Gesicht des Menschen war leer, jeder Ausdruck darin dem Triumph geopfert, von dem man nicht wissen konnte, ob er je das Wohlgefallen eines Gottes finden würde.
    Kinder spielten ungeachtet der fortgeschrittenen Stunde auf den schwarzen Sohlen der unbeleuchteten Straßen. Kreischende Derwische, zottige Haarmähnen auf dürren Beinen, in Lumpen gehüllt oder nackt, wie große Staubflusen in vage menschlicher Gestalt. Die größeren schleppten die kleineren herum wie unförmige Puppen, deren Augen schmal den Schmutz ihrer Umgebung musterten. Andere zankten sich mit streunenden Hunden um Essbares oder um Fetzen, die als Spielzeug dienen mochten. Es roch nach Safran und Harn, Schmieröl und menschlichem Schweiß, Curry und ranziger Butter, Verwesung und Tod. Auf den Verbrennungsplätzen loderten die Scheiterhaufen der Verstorbenen. Aber Holz oder andere Brennstoffe waren teuer, die meisten Familien mussten es bei ein wenig Stroh oder alten Kleidern bewenden lassen, und die Leichen wurden nur angekokelt. Die Schamanenpriester schoben die halb versengten Gliedmaßen hin und her wie Grillmeister ihr Barbecue, während die Hinterbliebenen versuchten, die rituellen Opfergaben und Öllichter darauf zu platzieren. Die Schakale und die Geier, die zur festgesetzten Stunde aus der Wüste einfielen, besorgten den Rest. Heilige Kamele, mit
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