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Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Titel: Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie
Autoren: Torsten Sträter
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Hände vollführten eine elegante, kleine Drehung.
    »Und jetzt verpisst euch von meinen Grund und Boden, ihr
Arschgesichter.«
     
    Wir trotteten den Highway – oder Freeway, oder Hellway – entlang, fuhren ab und an den Daumen aus und schwitzten, schwitzten,
schwitzten.
    Niemand hielt.
    Der Cop hielt diesmal nicht an; er bremste nur auf Schritttempo
ab, fuhr das Beifahrerfenster runter und sagte:
    »Runter von der Straße.« Es war tatsächlich der Polizist von
heute Morgen.
    Ich nickte. »Klar. Wir nehmen die nächste Möglichkeit.«
    »Jetzt. SOFORT!«
    Ich schaute über die Leitplanke; eine Böschung, steil wie
eine Skischanze und mindestens zweihundert Meter lang. »Das geht nicht«, sagte
ich unsicher.
    »Sofort. Los.«
    Wir kletterten hinüber und begannen mit dem Abstieg.
     
    »Meine Füße werden niemals wieder so, wie sie vorher waren«,
grunzte ich.
    »Ich sterbe vor Durst«, erwiderte Ingo.
    Es war vierzehn Uhr. Wir hatten einen Marsch durch die Bronx
gemacht, Todesangst ausgestanden, zwei Mal Polizeikontakt gehabt und waren erst
von einer Tankstelle, dann gleich von der Straße geschmissen worden – und wir
hatten erst Halbzeit.
    »Ich geh da jetzt rein«, sagte ich und wies auf das
Restaurant, auf dessen Parkplatz wir uns gehockt hatten, um zu verschnaufen.
    Der Name war französisch, die im Schaukasten hängende Karte
war es ebenfalls; klang nicht nach einem Etablissement, das gut für meinen
Geldbeutel war – egal.
    »Du hast sie nicht mehr alle«, knurrte Ingo.
    »Ich habe Durst.«
     
    Die Tür stand offen, aber der Laden war leer. Nur einige
schwarze Kellner in extrem eleganten Hemden standen hinter der Bar, lachten und
spülten beiläufig Gläser.
    »Tag«, sagte ich. »Was kostet ne Cola?«
    »Sechs Dollar«, lächelte einer der Kellner.
    »Ich nehme eine.«
    »Bist du total irre geworden?«, flüsterte Ingo.
    »Ich habe Durst … und wenn ne Cola fünfzig Dollar kostet!«
    »Trotzdem! Sechs Dollar! Da verdurste ich lieber.«
    »Is’ klar«, erwiderte ich, »das letzte Hemd hat allerdings
keine Taschen.«
    Eine Sekunde später stellte der Kellner das Getränk vor mir
ab.
    Das Glas war mit einer kleinen Leinenserviette umwickelt.
Eis dümpelte an der zischenden Oberfläche der Flüssigkeit, die Amerika zu dem
gemacht hat, was es ist. Das Glas war bauchig und von der Kälte beschlagen und
gefüllt mit dem Geschmack von Kindheit und Ausgelassenheit und mit genug Zucker
angereichert, um mich über alle Straßen dieses Planeten zu tragen.
    Ich trank, eine blasse Kopie von Ingos früherem Gesicht in
den Augenwinkeln.
    Es war fantastisch.
    »Noch eine«, sagte ich fest und ohne Ingo anzusehen. Dieser
jaulte leise auf.
    Das zweite Mal war es nicht ganz so gut – aber was ist das
schon?
    Ich bestellte noch eine, während Ingo auf einen der Jungs
einredete, der aber nur mit den Schultern zuckte.
    »Lass uns abhauen, Ingo.« Die ganze Situation – jetzt, da
mein Durst gestillt und ich wieder bei Trost war – begann, mir auf die Nerven
zu gehen.
    »Woher kommt Ihr eigentlich?«, fragte der Kellner, der mich
bedient hatte.
    »Dortmund, Germany«, antwortete ich.
    Ein Strahlen überzog sein Gesicht. »Da war ich mal!
Bierstadt, stimmt’s?«
    »Stimmt«, sagte ich.
    »Wenn das so ist«, grinste er, »gehen die Getränke aufs
Haus.«
    Ingo stand kurz vor einem Zusammenbruch. Ich tröstete ihn
damit, dass ich immerhin kein Porterhouse-Steak bestellt hatte.
     
    Später Nachmittag.
    Ein Jeep hielt, eine weitere Klischeefigur am Steuer: Der
Sunnyboysurfsupertyp. Braungebrannt, lachend, wehendes blondes Haar, das
Surfbrett schräg zwischen den Überrollbügeln befestigt. Wo man in New York
allerdings surfte, war mir schleierhaft. Und wurscht. Mittlerweile wären wir auch
auf die Ladefläche eines Lasters, der bakteriologisches Gefahrengut transportierte,
gekrabbelt.
    »Wohin?«
    Ich wiederholte unser Reiseziel zum x-ten Mal.
    »Ich kann euch bis zur Staatsgrenze mitnehmen. Hüpft rein.«
    Ja doch: Ingo saß vorn.
    Sicher, meine Sicht wurde weitgehend vom Surfbrett verdeckt,
aber der Fahrtwind trocknete unseren Schweiß, wir konnten bequem sitzen und
kamen voran.
    »Habt ihr Freundinnen zuhause?«, brüllte der Surfer durch
den brausenden Wind.
    »Ja!«, schrie ich zurück.
    »Haben die große Titten?«
    Und wieder hatte ich etwas Wichtiges gelernt: Man muss für
alles im Leben bezahlen.
     
    Zweihundert Kilometer und sechstausend Worte überwiegend
gynäkologischen Inhalts weiter waren wir da.
    »So,
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