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Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie

Titel: Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie
Autoren: Torsten Sträter
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einer Subway-Route
aufzuspießen.
    Nicht dass es ihm was ausgemacht hätte.
    Wir schlenderten den Broadway hinunter, gingen wie jeder New
Yorker bei Rot über die Ampel, ließen uns von Bettlern anpöbeln und hielten
Ausschau – Ingo nach einem günstigen Laden, ich nach einem, in dem ein
bulliger, brutal aussehender Typ beriet.
    Mein Plan war so einfach wie genial.
    »Hier«, sagte ich, »der ist billig!«
    Wir betraten das Geschäft, eine verwinkelte Bude voller
Uhren, Videokameras und Stereoanlagen. Der Verkäufer musterte uns mit dem Blick
einer überlegenen außerirdischen Rasse.
    Ingo klopfte gegen die Scheibe, hinter der das Gerät lag,
und machte dem Kerl pantomimisch klar, dass er das Teil sehen wollte.
    Sony, neunundneunzig Dollar inklusive Steuern – Leben kam in
den Verkäufer.
    Er begann, technische Details runterzurasseln, die ich nicht
mal auf Deutsch verstanden hätte, aber es interessierte mich ohnehin nicht.
    »Frag ihn, was er kosten soll«, flüsterte Ingo.
    Ich fragte.
    »Er sagt neunundachtzig«, übersetzte ich Ingo. Das stimmte
auch.
    Der Kerl schwenkte das Gerät und sagte, er würde auch noch
einen Akkublock oben drauf legen.
    »Was hat er gesagt?«
    »Er meinte, Steuern kämen dazu.«
    »Dann ist der ja wieder genauso teuer? Will er mich
verarschen?«
    »Ich glaub nicht. Soll ich ihn fragen?«
    »Nee«, sagte er mit Blick auf die groben Hände des
Verkäufers.
    »Ich regele das mal, Rainman.« Die Sache kam in Fahrt.
    Ich plauderte ein wenig mit dem Verkäufer, sagte ihm, wir
wären bereit, das Ding für fünfundachtzig zu kaufen und flocht dabei ein, das
Ingo extrem wohlhabend sei, sich aber nie entscheiden könne.
    Der Verkäufer legte mit gespielter Zerknirschtheit eine
Kunstledertasche für den Player drauf; allmählich schien er sauer zu werden.
Das Verkaufsgespräch lief für amerikanische Verhältnisse schon viel zu lange,
zumal wir keinen Stealth-Bomber, sondern nur einen Discman kaufen wollten.
    Die Zeit war reif.
    »Und?« Ingo war ganz Auge; seine Ohren waren schließlich
völlig unbrauchbar.
    »Er meint«, holte ich aus, »er meint, du wärst merkwürdig …
Aber er gibt dir das Teil für neununddreißig Dollar. Cool, hm?«
    Ingo fand es in der Tat cool.
    »Dann zahl. Ich geh mir eine rauchen.«
    Ingo tappte zur Kasse und legte vierzig Dollar auf den
Tresen, wie ich durchs Schaufenster beobachtete.
    Ich verfolgte das Minenspiel des Verkäufers, welches langsam
von verständnislos-verdutzt ins Wütende knautschte; er sprach mit Ingo. Mein
Freund zuckte mit den Schultern, sah zur Tür – und ich drehte mich schnell um,
einen tiefen Zug aus der »Zigarette davor« nehmend.
    Dann verwandelte sich der Verkäufer in den unglaublichen
Hulk.
    »Das war nicht okay, Torsten«, jammerte Ingo noch Stunden
später.
    »Ja, ja. Diese New Yorker. Ein komisches Völkchen. Kaum
stört man sie beim Kacken oder blubbert sie voll, weil man nur den halben Preis
bezahlen will, schon werden sie unbequem. Hm?«
    Ingo war aus dem Laden geflogen wie in einer Saloon-Szene
irgendeines billigen Westerns.
    Dummerweise hätte der randalierende Verkäufer mich um ein
Haar auch gepackt, aber meine völlig unbeteiligte Miene hatte ihn innehalten
lassen.
    Der Vorteil war, dass ich nun eine Menge neuer Schimpfworte
kannte.
    »Arschloch«, sagte Ingo.
    »Ich hab dich auch ganz doll lieb«, erwiderte ich.
     
    Es wurde noch recht interessant.
    Ich ging ins Kino, um bei einer pay two – get one free Aktion Batman Forever, Congo und Showgirls anzusehen. Komplett,
ohne Pause.
    Ich musste mich anschließend eine Runde hinlegen und träumte
einen kruden Stuss, der von fliegenden, nackten Gorillas bevölkert war.
    Anderntags verlief ich mich und landete erst in einem Laden,
der Halloween-Kostüme für Hunde anbot, dann in einem Cafe für Satanisten.
    Hätte ich genug Geld gehabt, wäre es mir möglich gewesen,
einen Terrier, der wie Liz Taylor in CLEOPATRA verkleidet ist, für einen Cappuccino
Diavolo zu opfern.
    Ingo schaffte es zwischenzeitlich, durch zähes Feilschen
eine Levis 501 zu kaufen, und zwar bedeutend teurer als in jeder deutschen
Boutique; er wertete das breite Grinsen des Verkäufers trotzdem als Zeichen
deutschamerikanischer Freundschaft.
    Die Strick-Clique zog jeden Morgen gespannt los, nur um
jeden Abend betroffen zurückzukehren. Der Diskussionsstoff ging ihnen nicht
aus; wenn es nicht die alarmierenden Preise in »Kommerztempeln« wie dem
Warner-Store oder Starbucks waren, bekamen eben die Bettler
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