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BRAINFUCK

BRAINFUCK

Titel: BRAINFUCK
Autoren: Alfred Berger
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»Ich wollte ihr unbedingt helfen, konnte aber nicht. Eines Nachmittags entdeckte ich auf dem Nachhauseweg von der Schule einen angefahrenen Hasen am Straßenrand. Sein Bauch war aufgeplatzt, die Gedärme hingen heraus, doch er lebte noch.« Er sah ihr in die Augen, sich vergewissernd, dass sie noch zuhörte. »Er tat mir unheimlich leid«, erzählte er weiter, »und deshalb nahm ich ihn hoch und brach ihm das Genick.«
    Melli nickte, zum Zeichen, dass sie ihn verstanden hatte.
    Patrick griff sich mit Daumen und Zeigefinger an die Nase und massierte sie. Er schien sich zu konzentrieren.
    »Jetzt wird es etwas schwierig …« Abermals suchte er den Augenkontakt. »In dem Moment, als der Hase in meinen Händen starb, durchflutete mich eine unglaubliche Energie. Meine Handflächen fühlten sich an, als würden sie glühen und der Punkt zwischen meinen Augenbrauen pulsierte heftig. Das Gefühl ließ schnell nach, doch war mir zu jenem Zeitpunkt bewusst, dass eine neue Kraft in mir wohnte. Zu Hause sah ich nach meiner Mutter. Es ging ihr sehr schlecht, sie erkannte mich nicht. Als ich ihr die Haare aus der schweißnassen Stirn streichen wollte, passierte es. Eine gewaltige Entladung schoss aus meiner Hand und breitete sich im Körper meiner Mutter aus. Einen Augenblick später öffnete sie die Augen und sprach mit mir. Sie war absolut klar, hatte keine Schmerzen mehr.«
    »Du hast sie geheilt?«
    »Nein, das konnte ich nicht. Es verschaffte ihr nur Linderung und selbst diese hielt nicht lange an. Ich begriff schnell, wo meine Heilkraft herkam, und begann, im Schuppen Lebendfallen für Mäuse aufzustellen. Die gefangenen Mäuse tötete ich. Das ging eine ganze Weile gut, aber der Effekt ließ nach. Ich fing an, streunende Katzen und Hunde zu verwenden. Die Tiere vertrauten mir, meine Stimme wirkte beinahe hypnotisch auf sie. Sie wehrten sich nicht. So war es leicht, an Nachschub zu kommen.«
    Melli atmete hörbar aus. Sie wollte ihm weiter zuhören. Sie musste ihm weiter zuhören! Eine magische Anziehung ging von seinen Worten aus.

    *

    Patrick erhob sich. »Lass uns ein Stückchen spazieren gehen.«
    Sie folgte seiner Aufforderung ohne zu zögern und trottete neben ihm her, während er weitererzählte: »Nach einigen Jahren reichte es nicht mehr aus, die Kraft aus Kleintieren zu beziehen. Ich bewarb mich in einem Schlachthof und tötete fortan Kühe und Schweine. Inzwischen konnte meine Mutter ein normales Leben führen. Die Ärzte wunderten sich, dass der Krebs sie noch nicht umgebracht hatte.«
    Es war dunkel geworden und der Weg, auf dem sie gingen, war nur spärlich beleuchtet. Sie hätte sich alleine nicht getraut, im Dunkeln hier entlangzulaufen, doch Patricks Anwesenheit und vor allem seine Stimme, strömten eine freundliche Ruhe aus, die keine Angst zuließ.
    »Das mit den Kühen«, wollte sie wissen, »hat das denn gereicht?«
    »Eine gewisse Zeit lang schon«, gab er bereitwillig Auskunft, »doch vor zwei Jahren fiel mir auf, dass auch diese Energiezufuhr zu gering war.«
    »Und was hast du dann gemacht?« Melli kicherte. »Hast du Elefanten getötet?«
    »Nein.« Er sprach jetzt leise. »Ich habe angefangen, Menschen zu töten.«
    Sie hielten an.
    Ihre Seele schwang sanft im Nachklang seiner Worte.

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    „Je genauer du planst, desto härter trifft dich der Zufall.“

    (Peter Rühmkopf )

    Was für ein nicht enden wollender Tag , denkt sich Oliver, als er in seiner unordentlichen, kleinen Wohnung die verwaschene Jacke in die Ecke feuert, die Schuhe hinterher schleudert und wie jeden Abend zur Fernbedienung greift. Er zappt gelangweilt durch die Programme, geht zum Schreibtisch und setzt sich in seinen abgewetzten Lederdrehstuhl. Den Rechner hochfahren und sich bei ›Spider.de‹ in den Erotikchat einloggen, gehört ebenfalls zum Ritual.

    *

    Er chattet nicht, zumindest nicht im Sinne des Wortes. Er betritt den Raum und liest still mit, was sich die anderen Chatter mitzuteilen haben. Eigentlich pervers , denkt er. Ich sitze den ganzen Tag am Computer, und abends habe ich nichts Besseres zu tun, als auf den Monitor zu glotzen.
    Ein rotes Blinken am unteren Rand des Eingabefeldes zeigt an, dass jemand einen Privatdialog zu ihm geöffnet hat. Normalerweise klickt er solche Avancen sofort weg.
    ›Anna-Maria‹ steht dort.
    Nicht ›Sweetbitch‹ oder ›Online-Schlampe‹, wie einer von den auf diesem Server üblichen Nicknamen.
    Er öffnet das Dialogfeld.
    ›Guten Abend, magst du mit mir
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