Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Boy 7

Boy 7

Titel: Boy 7
Autoren: Mirjam Mous
Vom Netzwerk:
Sie sah mich an wie einen entsprungenen Irren. »Das weißt du doch auch?«
    Nein, das wusste ich eben nicht! Mein Körper begann zu zucken und plötzlich musste ich wahnsinnig weinen. Ich konnte gar nicht mehr aufhören, meine Finger rutschten von Laras Schulter und ich beugte mich vor und heulte weiter, keine Ahnung, wie lange, mit der Stirn am Armaturenbrett, während mir der Rotz aus der Nase lief.
    Ein Rascheln. Dann kam ganz vorsichtig ein Papiertaschentuch zu mir herüber.
    Lara.
    »Dieses Mädchen hat sich einfach geirrt.« Sie lachte nervös. »Oder vielleicht habe ich eine Doppelgängerin.«
    Ich schnäuzte mich und rieb mir über die Wangen. Unterdessen versuchte ich, meine Gedanken wieder zu sortieren. Die Bedienung war sich ganz sicher gewesen und mir fiel kein einziger guter Grund ein, weshalb sie mich anlügen sollte. Auf der anderen Seite ... Lara wirkte aufrichtig erstaunt, es sei denn, sie konnte hervorragend Theater spielen. Weiterfragen? Aber dann würde sie wissen wollen, wie es kam, dass ich mich an unsere früheren Besuche im Pizza Hut auch nicht erinnerte.
    Ich zerknüllte das Taschentuch, kurbelte das Fenster hinunter und schnippte es in den Mülleimer. Solange ich mein Gedächtnis nicht wiederhatte, konnte ich niemandem vertrauen. Am sichersten war es, wenn ich so tat, als würde ich ihr glauben.
    »Entschuldige«, sagte ich. »Ich hätte nicht so übertrieben reagieren sollen.«
    »Stimmt.« Sie studierte das Pizzastück, das sie zusammengeknetet hatte. »Es gibt Spezialkurse, in denen man lernt, seine Aggressionen besser unter Kontrolle zu halten.«
    Mir würde eher ein Kurs in Gedächtnistraining weiterhelfen.
    »Entschuldige.« Ich hob die Doggybag auf und bot ihr ein frisches Stück Pizza an. »Vergebung?«
    »Na gut.« Sie lächelte zaghaft. »Schwamm drüber.«
    Das ging ja ziemlich leicht. Ich wusste nicht, ob ich erleichtert oder eher misstrauisch sein sollte.
    Ich verschloss meine Zimmertür und ließ mich auf das Bett fallen. Der Ausflug nach Flatstaff hatte mich nicht viel weitergebracht. Er hatte nur noch mehr Fragen aufgeworfen. Konnte sich die Bedienung wirklich so schrecklich irren? Sonst müsste Lara zumindest eine Zwillingsschwester haben, von der sie nichts wusste. Oder genau wie ich das Gedächtnis verloren haben.
    Bullshit! Morgen würde ich meine Sachen packen und machen, dass ich hier wegkam!
    Aber wohin? Ich tastete nach meinem Rucksack unter dem Bett.
    Er lag nicht dort!
    Blitzschnell rollte ich mich von der Matratze und schaute unter das Gestell. Puh! Die Tasche war nur vom Kopf- zum Fußende verrutscht.
    Als ich wieder auf dem Bett saß, klingelte irgendwo ein Alarmglöckchen. Nichts ›Puh!‹. Rucksäcke hatten keine Beine. Jemand hatte meine Sachen durchsucht!
    Sofort kamen alle Verschwörungstheorien mit voller Wucht zurück. Ich dachte an versteckte Kameras und Abhörgeräte. Diese Schraube auf dem Ventilator konnte genauso gut ein Mikrofon sein und ...
    Dann erst sah ich die Streifen auf dem Teppich.
    Ich Trottel! Bobbie hatte natürlich auch unter dem Bett gesaugt und dabei meinen Rucksack verschoben.
    Ich leerte ihn aus, faltete die Karte auf und legte alle Anhaltspunkte daneben. Die Pizza-Hut-Bestellliste, das Foto ... Moment, mein Handy noch.
    Ich fühlte im Seitenfach. Mein kleiner Finger berührte eine harte Spitze. Da steckte also noch etwas!
    Ich legte das Handy aufs Bett und schlug die Klappe des Seitenfachs so weit wie möglich um. Halb im Futter klemmte etwas aus Metall. Ich fummelte es heraus, während mein Blut mit der Geschwindigkeit eines Achterbahnwagens durch meine Adern sauste.
    Da war es! Aufgeregt betrachtete ich den Schlüssel in meiner Hand. Für einen Hausschlüssel war er zu klein. Er trug eine eingravierte Ziffer. Einunddreißig. Ich tippte auf einen Schließfachschlüssel. Meine Gedanken purzelten nach allen Seiten. Auf einem Bahnhof gab es Schließfächer. Und bei einer Bank. Oder an Orten, wo man keine Tasche mitnehmen durfte, um Diebstählen vorzubeugen, wie einem Einkaufszentrum oder einem Museum.
    In letzterem Fall nahm man nicht das Schlüsselchen mit nach Hause, sondern das jeweilige Gepäck, diese Möglichkeit konnte ich also streichen. Der Bahnhof ... Ich schaute mir auf der Karte das Schienennetz an. Der nächstgelegene Bahnhof war im Zentrum von Flatstaff, aber ob es dort auch Schließfächer gab ... Das würde ich überprüfen müssen. Wenn der Schlüssel von einem Bankfach stammte, würde es erst richtig schwierig
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher