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Bote ins Jenseits

Bote ins Jenseits

Titel: Bote ins Jenseits
Autoren: Hauke Lindemann
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einem irritierten Gregor und hielt ihn am Arm fest. Sie hatte ihm gerade etwas ins Ohr gebrüllt. Zwar verstand er nicht, was, aber es war ihr gelungen, seine Konzentration auf Tibbe zu stören! Er sah sie verständnislos an und hob, ohne etwas zu sagen, fragend die Augenbrauen. Bevor sie ihre Frage wiederholen konnte, weiteten sich seine Augen, und ruckartig drehte er den Kopf zurück in Tibbes Richtung, der gerade Fersengeld gab, Gregors kurzfristige Unaufmerksamkeit mit dem Mut der Verzweiflung ausnutzend.
    Gregor wollte ihm folgen, aber Heike hielt ihn am Arm fest, schüttelte den Kopf und schien erneut etwas zu sagen. Gregor schleuderte ihr zur Belohnung einen überirdisch zornigen Blick zu und kramte in seinem menschlichen Sprachschatz nach den passenden Worten, mit denen er sie für ihr unerwünschtes Eingreifen gleich furchtbar zusammenscheißen würde! Ihr entsetzter Blick Richtung Tibbe hielt ihn jedoch davon ab.
    Fassungslos beobachteten beide, wie Tibbe auf beinahe komisch ungeschickte Weise das Balkongeländer erreichte, sich langsam auf dessen Scheitelpunkt bugsierte und schließlich fiel.
    »Oh mein Gott!«, stieß die junge Frau hervor, ließ Gregors Arm los und rannte auf den Balkon.
    Gregor war ein wenig desorientiert und versuchte, sich zu sammeln.
    Kamp saß die ganze Zeit, erstarrt vor Spannung, auf dem Sofa und beobachtete die Ereignisse mit atemlosem Interesse. Jetzt sah er, wie Gregors Aura verschwand, bis er wieder ganz normal wirkte.
    »Das war so… nicht geplant!«, sagte Gregor langsam und ging der jungen Frau hinterher.
    Er stellte sich neben sie ans Geländer, und sie sahen beide nach unten. Tibbe lag mit verdrehten Gliedmaßen auf dem Betonboden des Innenhofes und rührte sich nicht. Neben seinem ebenfalls grotesk verdrehten Kopf dehnte sich langsam, aber beständig eine Blutlache aus.
    Nur Gregor sah die ihm allzu gut bekannte Tür, die neben dem Leichnam stand. Kamp hätte sie ebenfalls sehen können, zog es aber vor, sich den Anblick seines einstigen Freundes zu ersparen, und blieb ruhig und irgendwie erleichtert auf dem Sofa sitzen.
    »Ist er tot? Vielleicht hat er den Sturz ja überlebt! Ich habe schon von Menschen gehört, die Stürze aus größeren Höhen überlebt haben. Wir sollten nach ihm sehen!«, plapperte die junge Frau aufgeregt.
    Der Bote legte ihr eine Hand auf die Schulter, drehte sie mit sanftem Druck zu sich um und schüttelte den Kopf.
    »Das wird nicht nötig sein. Er ist tot, das ist sicher.«
    »Das können Sie doch gar nicht wissen! Vielleicht…«
    »Ich weiß es!«, sagte der Bote ernst.
    »Oh mein Gott!«, wisperte die junge Frau. »Und was machen wir jetzt?«
    Gregor drehte sich um und ging zurück in die Wohnung.
    »Wir sollten sehen, dass wir von hier verschwinden. Es ist nicht in unserem Interesse, mit seinem Tod in Verbindung gebracht zu werden, zumal Sie die einzig greifbare Person wären, die von den Behörden in die Zange genommen werden könnte«, sagte der Bote und blickte sich zu Kamp um.
    »Ist er tot?«, fragte der.
    »Ja.«
    »War das der Plan?«
    »Nein! Ich wollte, dass er sich den Behörden stellt. Deine Schwester ist mir leider in die Quere gekommen, aber ich schätze, so sollte es sein. Zumindest hoffe ich das. Wir werden es wissen, wenn wir uns sein geplantes Todesdatum ansehen«, sagte Gregor.
    Nur wer ihn etwas besser kannte, konnte den leicht beleidigten Unterton vernehmen. Kamp konnte und empfand Verständnis für ihn.
    »Ist er schon weg?«, fragte er den Boten, um ein wenig abzulenken.
    »Du meinst…?«
    Kamp nickte. Gregor ging zurück auf den Balkon und kam kurz danach wieder.
    »Ja. Die Tür ist verschwunden.«
    »Das ist gut!«, sagte Kamp und nickte. »Wir sollten jetzt auch gehen! Ich will nicht, dass auch noch meine Schwester wegen ihm leiden muss.«
    Unbeobachtet verließen sie Tibbes Wohnung und fuhren schweigend zurück zur Niederlassung.
     
     
    Es dauerte zwei Stunden, bevor man bemerkte, dass in dem Innenhof einer Wohnung in der Innenstadt ein toter Mann lag, der sich offenbar vom Balkon gestürzt hatte.

Aufwaerts
     

     
     
    Zurück in der Niederlassung saßen Gregor, Kamp und seine Schwester noch eine ganze Weile bei den anderen drei Boten. Sie ließen sich von ihnen mit Kaffee und Tee versorgen und halfen ihnen dabei, ihren prall gefüllten Vorratsschränken und -schubladen ein wenig vom Innendruck zu nehmen.
    Man unterhielt sich, zumindest im übertragenen Sinne, über Gott und die Welt, Dinge von hohem
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