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Bote ins Jenseits

Bote ins Jenseits

Titel: Bote ins Jenseits
Autoren: Hauke Lindemann
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haben Sie sich einen Nachmittag lang die Arbeit gemacht, ein paar Teebeutel mit eben jenem Kraut zu präparieren. Fein säuberlich haben Sie jeden Teebeutel auseinandergepflückt, eine gewisse Menge Tee entnommen und die entsprechende Menge Haschisch wieder hinzugefügt. Sie, als Thores bester Freund und Arbeitskollege, wussten, dass es auf Ihrer Etage nur einen Menschen gab, der schwarzen Tee zu trinken pflegte. Dass er jeden Morgen früher als alle anderen an seinem Arbeitsplatz war, um sich in Ruhe eine Tasse frischen, heißen Tee zu genehmigen, während er sich auf den Arbeitstag vorbereitete, wussten Sie genauso gut wie jeder andere auch. Aber Sie haben dafür gesorgt, dass er an dem besagten Morgen einen Teebeutel Marke Tibbe Spezial mit heißem Wasser übergießen würde. So weit alles richtig?«
    Keine Reaktion.
    »Gut! Was passiert also, wenn ein Diabetiker, der sein ganzes Leben lang Drogen verachtet und dementsprechend nie welche konsumiert hat, ohne es zu wissen, einen frisch gebrühten Haschtee trinkt? Er verliert, wie die meisten, die sich zum ersten Mal in ihrem Leben einer solchen Dröhnung aussetzen, die Kontrolle über sich und dreht einen lustigen kleinen Film, den nur er sehen kann. Ob dieser Mensch, dieser Diabetiker, sich dann wohl Gedanken machen würde, woran das liegen könnte? Würde er womöglich in Erwägung ziehen, einen Zuckerschock zu haben? Herr Tibbe?«
    Keine Reaktion. Nicht mal ein Blinzeln.
    »Gehen wir mal davon aus, er tut es. Was kann er in einer solchen Situation machen? In einem menschenleeren Gebäude, mit schwindender Kontrolle über sich selbst? Um Hilfe rufen, wäre albern. Er könnte versuchen, per Telefon Hilfe zu holen, aber ob er daran denkt? Würde dieser arme Kerl nicht viel eher versuchen, mit letzter Kraft noch schnell eine Dosis Insulin nachzuspritzen? Auch auf die Gefahr hin, nicht die korrekte Dosis aufzuziehen? Was meinen Sie, Herr Tibbe?«
    Gregor fragte sich, ob er mit einem gezielten Faustschlag in Tibbes Verbrechervisage eine Reaktion provozieren sollte.
    »Thore hat es getan! Da können Sie stolz auf sich sein, denn genau das war es, was Sie erreichen wollten. Aber Sie waren schlampig bei Ihren Vorbereitungen. Hätten Sie sich richtig informiert, hätten Sie gewusst, dass eine Überdosis Insulin nicht tödlich ist. Vorerst führt sie in der Regel nur dazu, dass der Betroffene in ein sogenanntes hypoglykämisches Koma fällt. Genau das ist Ihrem Freund passiert. Danach kam Glück ins Spiel. Glück für Sie wohlgemerkt!«
    Er wandte sich Kamp zu und sagte in entschuldigendem Tonfall: »Tut mir leid, du weißt, wie das gemeint ist. Mir fällt kein besserer Ausdruck ein.« Er sah wieder zu dem immer noch regungslosen Tibbe.
    »Er verlor das Bewusstsein. Das muss nicht mal an der Überdosis Insulin gelegen haben. Es ist durchaus möglich, dass ihn die ungewohnte Zufuhr von Betäubungsmitteln von den Beinen geholt hat. Vielleicht war es auch die Kombination von beiden, wir werden es wohl nie erfahren. Jedenfalls wich jegliche Spannung aus seinem Körper, und er fiel so unglücklich, dass er mit seinem Kopf auf den Schreibtisch prallte und sich das Genick brach! Sie hatten Ihr Ziel erreicht, auf Umwegen zwar, aber Thore war tot. Das war es, was Sie erreichen wollten. Alle Welt würde es für einen Unfall halten. Jeder würde heimlich, still und leise den Kopf schütteln und sich denken, dass es sicherlich bessere Wege gibt, um sich von dieser Welt zu verabschieden. Die wenigen Eingeweihten würden sich vielleicht sogar fragen, wie man nur so dämlich sein konnte, sich erst einen Haschtee zu gönnen, um anschließend noch eine Extraportion Insulin draufzulegen. Aber der Gedanke, dass jemand anders dabei seine Finger im Spiel gehabt haben könnte, würde mit großer Wahrscheinlichkeit niemandem so schnell kommen.«
    Gregor atmete tief durch und rieb sich die Oberschenkel.
    »Nun, Herr Tibbe, wie finden Sie meine Theorie. Kommt Ihnen etwas davon bekannt vor?«
    Es herrschte perfekte Stille. Nicht mal Atemgeräusche waren zu vernehmen. Selbst von draußen schienen keine akustischen Reize, wie zum Beispiel Straßenlärm, in die gespannte Lautlosigkeit von Tibbes Wohnzimmer vordringen zu können.
    Ohne sichtbare Regung und mit ruhiger Stimme sagte Tibbe: »Sie dürften Probleme haben, das zu beweisen.«
    »Meinen Sie?«, antwortete Gregor, innerlich froh darüber, dass seine Geschichte den richtigen Abnehmer gefunden hatte.
    »Meine ich! Nehmen wir mal an, Ihre
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