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Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer

Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer

Titel: Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer
Autoren: Luc Deflo
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blitzte in seinen Augen auf.

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    60
    E s war keine Zigarrenkiste, sondern eine hübsch verzierte Plätzchendose, die der Junge, Tacks verheimlichter Sohn, ihr ausgehändigt hatte. Nadia Mendoncks Finger zitterten, als sie zum x-ten Male die raschelnden Papiere durchwühlte oder besser das, was von den Papieren übrig war.
    Sie hatte lange gezögert.
Wenn ich die Dose öffne, gibt es keinen Weg mehr zurück, dann ist es aus zwischen uns. Das wird er mir niemals verzeihen. Liebe beruht auf Vertrauen
.
    Über eine Viertelstunde lang hatte sie die Dose angestarrt. Frank war ein Betrüger. Als ihr dies vollends bewusst wurde, senkte sich ein Schleier der Wut vor ihre Augen. Der blanke Zorn kochte in ihr hoch, sie verlor die Beherrschung, warf die Dose auf den Bürgersteig und trat sie quer über die Straße. Als das Ding sich immer noch weigerte, seinen Inhalt preiszugeben, ging sie damit in den Wald.
    Ein halbes Magazin hatte sie darauf leergeschossen, schließlich flog die Dose auseinander und sprang ein paar Meterweg. Nadia schoss noch zweimal aus der Hüfte heraus hinterher. Die letzte Kugel traf die Überreste in der Luft, wie in einem alten Western, anschließend lagen die Papiere in einem Umkreis von etwa zehn Metern überall verstreut.
    Jetzt berührten ihre zitternden Finger einen braunen Umschlag, der bis auf den angekokelten Rand intakt geblieben war. Auf diesem Umschlag stand in einer schnörkeligen Handschrift
Frank Tack
. Er enthielt Fotokopien offiziell aussehender Dokumente. Die Verlustanzeige eines verlorenen Ausweises auf den Namen Frank Tack vom 12. Juni 1995, einen Antrag auf einen Ersatzführerschein, ein Schreiben von der Lebensversicherung, eine Rentenversicherungsnummer auf den Namen Frank Tack, ein notariell beglaubigtes Testament, in dem Sylvain Cluts sein gesamtes Vermögen Frank Tack hinterließ, eine Sterbeurkunde auf den Namen Sylvain Cluts und eine Heiratsurkunde. Veronica Li Hueng und Sylvain Cluts. Ein Foto derselben jungen Asiatin an der Hand eines kurzgeschorenen Frank Tack alias Sylvain Cluts. Die Sterbeurkunde war von Naib Abram unterzeichnet.
    Nadia Mendonck wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Alles ist möglich in diesem Land. Alles
. Sie verstaute die Papiere in den Resten der Plätzchendose und klemmte sie sich unter den Arm. Ratlos wählte sie im Auto Deleus Handynummer, doch nur die Mailbox antwortete.
    In einem Anfall von Selbstmitleid schlug Nadia Mendonck mit der Stirn auf das Lenkrad. Frank war sie los. Rutger auch. Und Dirk ebenfalls.
Frank oder besser Sylvain. Egal. Von mir aus könnte er Pipo heißen
. Sie hob den Kopf und presste die Hände gegen die Wangen. »Idiotin!«, zischte sie ihrem Spiegelbild zu. Der Anlasser kreischte, als sie den Schlüssel des Clios bei laufendem Motor zum zweiten Mal umdrehte.

[home]
    61
    F rank Tack verdrehte halb betäubt die Augen, als ihm der eiskalte Wasserstrahl ins Gesicht spritzte. Sein blonder Schopf hing ihm in Strähnen in die Stirn, und eine gelbrosa Flüssigkeit troff an Wange und Kinn hinunter in seinen aufgerissenen Hemdkragen.
    Das Erste, was er sah, als er die Augen öffnete, war sein Erzfeind. Deleu saß rittlings auf einem Stuhl, in respektvollem Abstand zum Sofa. Als sich seine und Tacks Blicke trafen, grinste er, und an seinen Zähnen klebte blutiger Schaum. Er stützte sich mit beiden Ellbogen auf der Stuhllehne ab und wirkte, als würde er jeden Moment zusammenklappen.
    Tack presste den Kopf in das Sofapolster und zog stöhnend den Arm unter seinem Oberkörper hervor. Ein lautes Klicken ließ ihn mitten in der Bewegung innehalten. Deleus zitternder Daumen lag auf dem Hahn, und sein grimmiges Gesicht sagte mehr als der ausgefeilteste Satz.
    »Lass das, Frank«, krächzte er.
    Tack hustete nervös und drehte sich mühsam auf den Rücken, wobei seine Beine über den Sofarand baumelten.
    »Wenn du mir nicht sagst, wer dein Auftraggeber ist, fange ich mit deiner rechten Kniescheibe an.« Deleus Grinsen verwandelte sich eine schmerzverzerrte, gequälte Grimasse. »Komm schon, Frankie-Boy. Raus mit der Sprache.«
    »Ich verlange einen Anwalt«, erwiderte Tack lachend, zog sich hoch und stützte den Nacken an der Sofalehne ab. Dirk Deleu schloss für einen kurzen Moment die Augen. Das tat gut.
Schlafen. Für immer und ewig.
Als er die Augen wieder öffnete, wackelte die Magnum in seinen zitternden Händen. Tack saß reglos auf dem Sofa, in sich zusammengesunken wie ein pensionierter Bahnbeamter. Wenn er sich nicht
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