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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax
Autoren: Paul Torday
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bisschen zu viel des Guten?«
    Er hatte recht. Es wäre übertrieben.
Die zweite Flasche würde ich nicht annähernd so genießen können wie die erste.
Mein Gaumen würde stumpf und pelzig sein von dem Wein. Es wäre an diesem Tag
insgesamt die vierte, vielleicht sogar die fünfte Flasche, noch bevor ich nach
Hause gefunden und mir den Montagny genehmigt hätte, den ich immer als
Schlummertrunk zu mir nahm.
    Dennoch konnte ich den Gedanken
nicht ertragen, dass jemand anders die Flasche bekommen sollte. Ganz einfach,
sie musste mir gehören. »Bitte bringen Sie sie trotzdem«, sagte ich.
    Der Sommelier verbeugte sich leicht,
aber es waren Zweifel in seinem Blick. Er ging zum Oberkellner und unterhielt
sich mit ihm.
    Wahrscheinlich wogen sie ab, was
schlimmer war: Mein Auftritt, wenn ich den Wein getrunken hatte, oder das
Theater, das ich ganz sicher veranstalten würde, wenn sie ihn mir erst gar
nicht aus dem Keller holten.
    Dann verschwand er und kam wenige
Minuten später mit der zweiten Flasche Petrus wieder. Während er das gleiche
Ritual wie beim ersten Mal vollzog, fand er noch Zeit, mir aus der offenen Flasche
nachzufüllen. Es gab komische Blicke von einigen anderen Restaurantgästen in
unsere Richtung. Ein Mann, neugieriger oder auch schamloser als die anderen,
erhob sich von seinem Platz an einem Dreiertisch, der mir vorher schon
aufgefallen war, und kam zu mir herüber.
    »Verzeihen Sie, wenn ich mich
einmische«, sagte er. »Ich habe das Etikett auf der Flasche bemerkt. Ist das
ein Petrus, den Sie da trinken?« Ohne die Antwort abzuwarten, beugte er sich
vor und inspizierte das Etikett, worauf der Sommelier die Flasche instinktiv
so drehte, dass der Gast es besser lesen konnte.
    »Mein Gott. Der 82er«, rief er aus,
wandte sich dann mir zu und sagte mit einiger Bewunderung in der Stimme: »Ich
muss sagen, Sie verstehen es wirklich, auf den Putz zu hauen. Gut gemacht, mein
Junge. Viel Vergnügen noch.« Er ging zurück an seinen Tisch, und die
Unterhaltung nahm noch etwas mehr an Fahrt auf. Ich versuchte hartnäckig, die
Blicke zu ignorieren, und nach kurzer Zeit versank ich wieder in dem starken
und aromatischen Sog des Petrus. Ich trank jetzt die zweite Flasche, sie
schmeckte fast genauso wie die erste, aber nicht ganz: Wieder das Gefühl, an
einem anderen Ort zu sein, doch jetzt sah man die Landschaft dieses unbekannten
Reiches von einem neuen Blickwinkel aus. Auch Catherine kehrte wieder, stand
irgendwo in der Nähe, und zusammen sangen wir ein paar Takte von »Jesu, meine
Freude«.
    Das rief den Oberkellner auf den
Plan. »Ich möchte Sie nochmals bitten, nicht ganz so laut zu singen, Sir«,
sagte er. »Es stört die anderen Gäste.«
    »Und ich möchte Sie bitten, mich
nicht dauernd zu unterbrechen, wenn ich meinen Wein trinke«, entgegnete ich.
»Es ist unmöglich, sich richtig daran zu erfreuen, wenn man ständig abgelenkt
wird. Ich habe einen hohen Preis für die Ware bezahlt, und ich finde, ich habe
ein Recht darauf, sie auch angemessen zu genießen.«
    Manchmal wird meine Ausdrucksweise
unter dem Einfluss von großen Mengen Weins etwas seltsam. Meine Rede neigt
dazu, überfrachtet zu werden, geradezu blumig, besonders, wenn mein Hirn auf
Biegen und Brechen komplexe Gedanken formulieren möchte. Ich hörte auf zu
summen, und nach kurzer Zeit verzog sich der Oberkellner wieder. Jetzt
allerdings war ich das Objekt einiger Aufmerksamkeit für das ganze Restaurant
geworden. Ich glaube, mittlerweile wussten alle im Raum, dass ich ganz für mich
allein exquisiten Wein im Wert von über sechstausend Pfund vertrank.
    Ich vernahm einzelne
Gesprächsfetzen, oder meinte sie zu vernehmen. »Der sieht aus, als könnte er
sich nicht mal ein Dosenbier leisten, von einem der teuersten Weine der Welt
mal ganz abgesehen.« - »Wahrscheinlich ein Hedgefonds-Manager, der nach einem
satten Millionengewinn mal über die Stränge schlägt.« - »Vermutlich eher
Millionenverlust.«
    »Was für eine komische Figur«, sagte
eine weibliche Stimme.
    »Er sieht so blass aus«, sagte eine
andere. »Hoffentlich kotzt er uns nicht die Bude voll.«
    »Schönen Dank, Darling! Willst du
mir das Essen verderben?«
    Es war zu viel. Ich stand auf,
drehte mich um und versuchte, Catherine irgendwo zu erkennen, um sie zu
fragen, was ich machen sollte. Mein Stuhl kippte nach hinten. Ich hob mein Glas
vage in die Richtung, wo Catherine noch vor wenigen Augenblicken gestanden
hatte, trank einen Schluck und sagte: »Komm doch her und
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