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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax
Autoren: Paul Torday
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das Lächeln auf seinem Gesicht
erstarb. »Allerdings, Sir«, sagte er. »Das ist eine sehr große Sammlung. Noch
einen angenehmen Abend, Sir.«
    Er ging, ich war erleichtert. An
Abenden wie diesem brauche ich meine ganze Konzentration, um das Erlebnis des
Weintrinkens voll und ganz auszuschöpfen. Gespräche können dabei eine ungeheure
Ablenkung sein, und Smalltalk habe ich in letzter Zeit sowieso vermieden. Doch
dann kam der Oberkellner mit einem kleinen Silbertablett zurück.
    »Wenn ich mir einen Abzug Ihrer
Kreditkarte machen dürfte, Sir«, sagte er unterwürfig. »Normalerweise würde ich
Sie damit nicht behelligen, aber da die Geldsumme doch sehr hoch ist ...« Seine
Stimme verlor sich in einem undefinierbaren Flüstern.
    »Ich benutze keine Kreditkarten«,
sagte ich und zog mein Bündel Banknoten hervor. Meistens steckte ich zwischen
fünf- und zehntausend Pfund in bar ein, bevor ich ausging. Die Bank hielt immer
einen Umschlag für mich bereit, wenn ich einmal die Woche vorbeikam, um mir
mein Taschengeld abzuholen, und ich achtete darauf, dass ich zusätzlich noch
eine Reserve hatte, falls ich unterwegs auf einen interessanten Wein stieß.
Ich legte das Bündel auf das Tablett. »Nehmen Sie sich die Summe, für die ich
verzehre, und geben Sie mir den Rest zurück, wenn ich gehe«, sagte ich zu ihm.
    Der Oberkellner blickte mich
entsetzt an und gab mir das Bündel auf der Stelle zurück. »Das ist nicht
nötig, Sir«, sagte er. »Ich wusste nicht, dass Sie bar zahlen wollen ...
Entschuldigen Sie die Störung ... Sehr ungewöhnlich ...« Wieder huschte er
davon.
    Ich steckte das Geldbündel in meine
Tasche. Es war mir vorher gar nicht aufgefallen, aber es waren lauter
Fünfzigpfundscheine. Ich musste dem Taxifahrer hundert Pfund für eine fünfzehn
Pfund teure Fahrt gegeben haben. Ich dachte, es wären Zwanziger oder Zehner
gewesen, andererseits wäre das Bündel dann auch unhandlich und dick geworden.
Kein Wunder, dass der Taxifahrer mir alles Gute gewünscht hatte.
    Ich blieb ungestört und schaute zu,
wie das Restaurant um mich herum zum Leben erwachte. Ein, zwei Paare waren
eingetreten und zu ihren Tischen geführt worden. Am Tresen saßen zwei gut
gekleidete Frauen und tranken Champagner. Ein nettes Restaurant. Der Sommelier
war mir sympathisch.
    Ein Kellner kam und bot mir eine Kleinigkeit
an. »Ein Gruß vom Küchenchef, Sir. Ein Happen Aalpastete auf
Stachelbeerbrioche.«
    Ich winkte ab. »Danke. Lieber nicht
vor der Leberpastete.«
    Dann kam der Sommelier wieder, und
zusammen betrachteten wir die Flasche, die er ehrfürchtig in seinen Händen
gebettet hielt. Er drehte sie um, damit ich die verzierten roten Buchstaben
sehen konnte, den Namen des Châteaus, die Appellation Pomerol und den Jahrgang.
Dann brach heftige Betriebsamkeit aus, mit Dekantiergefäßen und Korkenziehern,
dem Entfernen des Korkens, das mit chirurgischer Präzision geschah, und dem
Dekantieren des Weins, der so behutsam ausgegossen wurde, als handelte es sich
um Nitroglyzerin. Danach drehte der Sommelier die Karaffe vorsichtig im Schein
meiner Tischkerze, so dass ich die leuchtende Farbe des Weins bewundern konnte.
Sein Gesicht war von Sorge gezeichnet, während er diese Tätigkeiten
verrichtete, und erst als der Korken vorschriftsmäßig berochen und mir zur
Überprüfung vorgehalten, der Wein unversehrt ins Dekantiergefäß umgegossen war,
entspannte er sich und suchte mit einem Blick mein Einverständnis.
    Sehnsüchtig sah ich zu dem Wein.
Fast wäre es mir lieber gewesen, ich hätte vorher nicht noch einen anderen
Wein bestellt; es machte die Sache nur komplizierter. Aber dann überlegte ich
mir, dass die Vorfreude den Genuss, den ich beim ersten Schluck erleben würde,
nur noch erhöhte.
    Die Gänseleber wurde gebracht, und
mit ihr kehrte der Sommelier mit dem Château Rieussec zurück an meinen Tisch.
Er behandelte den Wein nicht mit Verachtung, aber mit Geringschätzung. Obwohl
auch dies ein großer Wein war, verglichen mit dem königlichen Stammbaum eines
Petrus nahm er in der Hierarchie der Bordeauxweine nur die Stellung eines
Zwergfürsten ein.
    Ich aß ein paar Happen von der Foie
gras und trank den süßen Weißwein in kleinen Schlucken.
     
    Weil ich wusste, oder jedenfalls
stark gehofft hatte, heute Abend einen Petrus zu trinken, hatte ich mich, so
gut ich konnte, auf dieses Ereignis vorbereitet. Zur Erinnerung hatte ich in
meinem Weinführer noch einmal etwas über die Herkunft des Weins nachgelesen.
Das
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