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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax
Autoren: Paul Torday
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probier mal, Darling.
Der Wein ist wirklich sehr gut.«
    Der Raum rückte zur Seite, und ich
spürte, dass der Oberkellner zärtlich einen Arm um mich gelegt hatte. Das war
sehr freundlich von ihm; ich hatte schon den Eindruck, dass er mich eigentlich
nicht mochte.
    »Bestellen Sie ihm ein Taxi«, hörte
ich ihn zu jemandem sagen, bevor wir beide zu Boden rutschten. Er versuchte,
mich aufzurichten, aber ich war wohl doch etwas zu schwer für ihn.
    »Wo wohnen Sie?«, fragte er mich.
Jetzt sah er von irgendwo weit über mir auf mich herab, und seine Stimme klang
so, als käme sie aus der Ferne. Der große Bordeaux übte eine starke narkotisierende
Wirkung auf mich aus. Meine Augen wurden schwer.
    »Was machen wir mit der Rechnung?
Wenn er nicht zahlt, haben wir über sechs Riesen Verlust«, flüsterte eine
andere männliche Stimme. Es war der Sommelier, und er war auch kein Franzose
mehr, er kam aus Birmingham.
    Ich fasste in mein Jackett. Ich
wollte keinen Ärger. Seltsam, wie oft es solche Probleme gab, wenn ich ausging.
Ich stieß das Bündel in die Richtung, aus der die Stimme kam, und konnte noch
sagen: »Nehmen Sie sich, was ich Ihnen schuldig bin. Entschädigen Sie sich für
den Ärger und die Unannehmlichkeiten, die ich verursacht habe. Und bitte
überbringen sie den anderen Gästen meine aufrichtige Entschuldigung für diese
Störung.«
    Wie viel ich tatsächlich laut
ausgesprochen habe, weiß ich nicht, aber die Geldscheine wurden mir aus der
Hand gerissen. Wenn ich mit dem Kopf etwas nach links rückte, konnte ich die
Schuhe des Oberkellners als Kissen benutzen. Die Schuhe waren schwarz und blank
geputzt und bestens geeignet zum Anschmiegen.
    »Wie heißt er?«, fragte jemand.
    »Der Tisch wurde auf den Namen Wilberforce reserviert.«
    »Haben wir seine Adresse?«
    »Nein, er war noch nie hier.«
    »An den hätten wir uns bestimmt
erinnert, wenn er schon mal hier gewesen wäre«, sagte eine sarkastische Stimme.
    »Hat er einen Ausweis dabei?«,
fragte die erste Stimme wieder. Ich glaube, es war der Oberkellner.
    Eine Hand schlängelte sich in die
Innentasche meines Anzugjacketts und fand meine Brieftasche. »Hier ist eine
Visitenkarte, Wilberforce, Adresse Half Moon Street.«
    Dann wurde mir schwarz vor Augen.
     
    2
     
    »Du warst drei Tage lang
weggetreten«, sagte eine Stimme. Ich erkannte sie wieder, sie war freundlich,
aber es war auch eine Stimme, die ich mit unangenehmen Wahrheiten in Verbindung
brachte. Verwirrung machte sich in meinem Kopf breit. Ich schlug die Augen auf
und sah eine beigefarbene Zimmerdecke. Das sagte mir erst mal nichts. Noch
einen Moment, dann hatte ich genug Kraft gesammelt, um den Kopf zur Seite zu
drehen: Ich stellte fest, dass ich mich an einem Ort befand, den ich kannte.
    Ich ließ den Kopf wieder auf das
Kissen sinken und versuchte, mir einen Reim auf alles zu machen. Ich hatte mich
auf einer Reise nach Südamerika befunden. In Kolumbien, in einem Cafe in
Medellin, hatte es Ärger gegeben. Ich verscheuchte diese erstaunlich
realistischen Bilder, die so trügerisch in meinem Kopf aufblitzten und wieder
erloschen, und strengte mein Gehirn an. Dann wusste ich, oder dachte
wenigstens, dass ich in meinem eigenen Schlafzimmer war.
    Natürlich hätte es auch sein können,
dass es nicht mein eigenes Schlafzimmer war. Es hätte auch sein können, dass es
wieder nur eine jener sonderbaren Erinnerungen war. In einem Punkt jedenfalls
war ich mir sicher, die Stimme gehörte Colin.
    »Colin?«, sagte ich leise.
    Wieder ertönte die Stimme, irgendwo
hinter mir: »Wie geht es dir, mein Lieber?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich
bin müde. Ich friere.«
    Eine kurze Pause, dann trat Colin
ins Blickfeld: groß, blond, blaue Augen, blendendes Aussehen, und so schlank
wie vor zwanzig Jahren an der Universität, als ich ihn kennenlernte; das
Gesicht wie verharrt im Ausdruck distanzierter und vorwurfsvoller Liebenswürdigkeit,
den sich manche Ärzte zulegen.
    Er reichte mir ein Glas Wasser.
»Trink das«, sagte er zu mir. »Du musst ziemlich dehydriert sein. Du hast drei
Tage am Tropf gehangen, aber richtiges Wasser ist immer noch das Beste.«
    Ich trank das Wasser. Es schmeckte
scheußlich, aber ich zwang mich, es hinunterzuschlucken. Nach ein paar Minuten
konnte ich mich halbwegs auf dem Kissen aufrichten. Ich blickte mich um, und
tatsächlich, der Raum kam mir vertraut vor. Es war mein eigenes Schlafzimmer.
    »Wie lange habe ich geschlafen?«,
fragte ich. Colin holte sich einen Stuhl.
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