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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax
Autoren: Paul Torday
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kommen während der Brutsaison, fressen die Hühnerküken
und stöbern verwundete Vögel auf, die wir nicht finden. Die wissen genau, was
hier heute los ist, Sir.«
    Der Raubvogel segelte am blassen
Himmel und wartete auf seine Gelegenheit. Seltsam anmutende Insekten,
paarungsbereit ineinander verkrallt, flogen am Schießstand vorbei. Eine
einzelne Hummel, auf der Suche nach Heidekrautnektar, brummte. Der milchig
weiße Himmel und der Horizont schienen untrennbar, als würde sich die
Landschaft erheben, um in das weiße Licht des Himmels überzugehen. Irgendwo
weiter östlich lagen die städtischen Auswüchse von Tyneside und Wearside;
jetzt schienen mir diese Orte und alles, was sie enthielten - meine Arbeit,
mein bisheriges Leben -, in unendlicher Ferne.
    Am Horizont tauchte eine Reihe
einzelner Punkte auf.
    »Das ist die Treiberkette«, sagte
Bob. »In ein paar Minuten ist es so weit, Sir. Denken Sie daran: Wenn Sie die
Moorhühner sehen, suchen Sie sich eins aus und halten Sie darauf zu. Schießen
Sie eins ganz vorne, und lassen Sie es so nah herankommen, wie Sie sich zutrauen.
Die Biester sind so schnell - wenn Sie da zu lange warten, sind sie schon über
sie weggeflogen, bevor Sie einen Schuss abgefeuert haben.«
    Die Sekunden gingen vorüber.
Gelegentlich war das Rascheln der Attrappen zu hören, wenn die Treiber sie hin
und her schwangen, um die Moorhühner vor sich herzutreiben. Ein-, zweimal
hörte ich auch den Ruf: »Auf! Auf!«
    »Jeden Moment, Sir«, sagte Bob.
    Mein Herz raste. Noch hatte ich kein
einziges Huhn über dem Moor gesehen. Vielleicht war uns heute kein Glück
beschieden. Vielleicht hatte Ed sich geirrt. Das Moorhuhn, das ich eben noch
gehört hatte, war jetzt still. Kein einziger Vogel weit und breit, außer dem
Bussard, der über den Treibern seine Kreise zog. Von weiter unten in der Reihe
kam ein Schuss, es folgte eine stakkatohafte Salve, und dann, bevor ich auch
nur irgendetwas tun konnte, schoss ein Schwarm kleiner brauner Vögel zu beiden
Seiten des Schießstandes vorbei wie eine Rakete und zerstreute sich in alle
Richtungen. Die Vögel flogen in einer unglaublichen Geschwindigkeit. Sie waren
weg, bevor ich die Flinte auch nur anlegen konnte.
    »Macht nichts«, sagte Bob. »Es
braucht eine Weile, bis man sich daran gewöhnt hat. Halten Sie nur einfach die
Augen offen, dann ...da vorne, sehen Sie? Den einzelnen Vogel?«
    Ein verirrtes Moorhuhn, knapp
zweihundert Meter von uns entfernt, flatterte im Zickzackflug über die
Entwässerungskanäle. Ich legte an, und Bob sagte: »Jetzt, Sir! Jetzt!«
    Ich zielte und schoss, und alles
verlangsamte sich. Das Moorhuhn, das schon auf fast vierzig Meter
herangekommen war, überschlug sich im Flug, dann zischte etwas in rasendem
Tempo an meinem Kopf vorbei und schlug in einer Wolke aus weißen und braunen
Federn zehn Meter hinter mir auf dem Boden auf. Danach gab ich einen Schuss nach
dem anderen ab, und am Ende der Treibjagd hatte ich sechs weitere Tiere
erlegt. Bob hatte mir Ohrschützer gegeben, aber als die Treiber schließlich die
Schießstände erreichten und die letzte Jagd vorbei war, tat mir der Kopf weh,
meine Schulter hatte blaue Flecken von dem ersten Schuss, als ich den Schaft
noch nicht richtig in die Schulter gebettet hatte, und meine Kehle war trocken
von den Heidekrautpollen.
    Wie gingen die Reihe der
Schießstände entlang zurück zu unseren Fahrzeugen, da ging plötzlich Catherine
neben mir her. »Hat es Ihnen Spaß gemacht?«, fragte sie mich.
    »Ein unvergessliches Erlebnis. Ich
weiß nicht, ob ich es noch mal machen will, aber wenigstens habe ich es
probiert.«
    »Ganz sicher wollen Sie es noch mal
machen«, sagte sie. »Dafür wird Ed schon sorgen. Sie sind doch jetzt sein
Maskottchen.«
    Auf einmal bückte sie sich und hob
etwas vom Boden auf. Als sie sich wieder aufrichtete, hielt sie ein weißes
Heidekrautzweiglein in der Hand. Sie gab es mir und sagte: »Stecken Sie sich
das an Ihren Hut, Wilberforce. Es bringt Glück.«
    Ich bedankte mich und steckte es an
die Tweedmütze, die Francis mir geliehen hatte. Dann ging sie weiter und
Heinrich Carinthia schloss neben mir auf.
    »Wie ich gehört habe, haben Sie
heute Ihr erstes Moorhuhn geschossen. Dann darf ich Ihnen wohl sagen, dass das
ein Glückstag für Sie ist.«
    »Jedenfalls ein denkwürdiger Tag.«
    »Es ist immer ein besonderer Moment,
wenn man sein erstes Moorhuhn geschossen hat. In Österreich gibt es natürlich
keine Moorhühner. Ich erinnere mich noch gut an mein
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