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Bootsmann auf der Scholle

Titel: Bootsmann auf der Scholle
Autoren: Benno Pludra
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Uferstein. Er hält Ausschau.
    Wo kommt Hilfe für Bootsmann?
    Das Meer ist schwarz, der Himmel schwer und grau wie Blei. Und keine Hilfe.
    Kein Schlepper, kein Kutter, kein Fischer. Nichts. Nur ein Dampfer, noch weit vor der Bucht. Doch der Dampfe; wird Bootsmann nicht helfen. Er wird ihn nicht sehn.
    Uwe schaut hinüber zur Scholle. Bootsmann hockt auf den Hinterkeulen. Er sitzt ganz still. Er sieht artig aus wie die Stoffhunde in den Jahrmarktsbuden.
    Uwe wird traurig, weil er nicht helfen kann. Aber Bootsmann darf davon nichts merken.
    Uwe macht, als ob er lustig wäre. Er schwenkt den Arm und ruft: „He, Bootsmann! Schiff ahoi!"
    Bootsmann gibt leise Laut. Er bellt, ohne sich zu bewegen. Sein Bellen klingt mutlos.

    Die Scholle schaukelt. Wasserfetzen lecken über ihre Ränder. Die Strömung gurgelt um Ecken und Kanten. Bootsmann hat Angst.
    Uwe stolpert am Steilufer weiter. Er beobachtet den Dampfer vor der Bucht. Wenn Putt Bräsing mit dem Schlepper nicht kommt, ist der Dampfer die letzte Hoffnung. Eine winzig kleine Hoffnung, denn der Dampfer ist unendlich weit. Hundertmal so weit, wie Uwe einen Stein werfen kann.
    Uwe denkt an Jochen, der feige davongelaufen ist.
    Er denkt an Katrinchen, die zu Putt Bräsing rennen sollte.
    Er denkt an Putt Bräsing und versteht nicht, warum der Schlepper nicht kommt.
    Uwe ist allein, und ihm wird schwach und elend zumute.
    Da entdeckt er den Kahn.
    Zwanzig Schritte voraus hat jemand einen schmalen Hafen gebaut, große Steine aufgeschichtet und zwei Wälle gezogen, Schutz gegen das Meer. Im Wasser zwischen den Wällen liegt ein Kahn, festgemacht an einem starken Pfahl.
    Uwe rennt. Er springt, hastet, hetzt. Seine Stimme jubelt: „Bootsmann! Bootsmann! Ein Kahn!"
    Am Kahnhafen ist der Schnee zertrampelt. Arbeitsgerät liegt auf der Seite: ein Netzbeutel, Tauwerk, ein rostiger Anker. Fußspuren führen zur Steilküste hoch.
    Uwe ruft: „Hallo! Niemand hier?“
    Er ruft noch einmal, dann untersucht er den Kahn, klettert hinein, prüft die Festmacheleine.
    Wenn Uwe will, kann er los mit dem Kahn.
    Die Leine ist einfach um den Pfahl gelegt. Zwei Riemenhölzer zum Rudern stecken unter den Sitzen.
    Der Kahn, grün angemalt, ist weder sehr groß, noch ist er sehr schwer. Uwe könnte ihn regieren.
    Uwe guckt zur Steilküste hoch.
    Wo ist der Mann, dem der Kahn gehört? Uwe ruft noch einmal: „Hallo! Niemand hier?"
    Es kribbelt ihm in den Fingern. Draußen auf der Scholle sitzt Bootsmann. Die Scholle treibt. Die Zeit vergeht.
    Wo bleibt der Mann, dem der Kahn gehört?
    Uwe betrachtet die Spuren am Steilküstenhang.
    Der Hang ist kahl. Ein paar Sträucher stecken schief im Schnee.
    Der Mann, der die Spuren gemacht hat, muß große Füße haben.
    Uwe steigt aus dem Kahn. Er folgt den Spuren, steil den Hang hinauf. Vielleicht steht oben das Haus des Mannes.
    Uwe klettert wieselflink, mit Händen und Füßen, weil das schneller geht. Seine Hände graben sich durch den Schnee. Einmal schaut Uwe zurück. Da sieht er tief unten, wie ein weißes Briefblatt, die Eisscholle — und weit draußen, wie aus der Spielzeugkiste, sieht er den Dampfer.
    Den Hafen kann Uwe nicht mehr sehn.
    Er klettert über die Steilküstenkante.
    Hinter der Kante liegt ebenes Land. Ein Weg beginnt, überall ist Schnee.
    Ganz fern duckt sich ein Dorf. Aus kurzen Kaminen wölkt Rauch. Die weiße Landschaft bis zum Dorf ist leer. Kein Haus, kein Mensch. Der Mann, dem der Kahn gehört, wird im Dorf sein und Kaffee trinken. Es ist Vesperzeit.
    Uwe lauscht in die Stille. Sein Herz wird klein und mutlos. Uwe fühlt sich von aller Welt verlassen.
    Aber dort unten treibt Bootsmann und wartet auf Hilfe.
    Uwe muß Bootsmann helfen.
    Er rutscht den Steilhang hinunter, schnell und immer schneller, er kullert, trudelt, fällt. Schnee und Sand umpanzern seine Sachen, kriechen unter den Kragen, verkleistern ihm Augen, Mund und Nase.
    Uwe gibt nichts drauf. Er hat keine Zeit. Er muß Bootsmann von der Scholle holen.
    Unten macht er den Kahn los und stößt ihn ab. Das Wasser klatscht ans Holz. Der Kahn verläßt den Hafen.
    Uwe rudert. Er beugt sich vor und legt sich zurück. Ho-ruck! Ho-ruck! Die Riemenhölzer krachen. Uwe hat Mut und starke Arme. Uwe wird Bootsmann retten.

    Der Kahn liegt breit und flach auf dem Wasser. Er schaukelt wie die Scholle. Manchmal hüpfen Spritzer in Uwes Gesicht.
    Bootsmann sitzt nicht mehr artig wie ein Stoffhund. Er sieht Uwe im Kahn und wittert die nahende Rettung. Bootsmann rennt auf und ab,
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