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Bootsmann auf der Scholle

Titel: Bootsmann auf der Scholle
Autoren: Benno Pludra
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Scholle und Eisfeld liegt ein breiter Wassergraben.
    Und die Scholle treibt.
    Jochen jammert. Jochen, der mutige Eskimo, jammert: „Was machen wir bloß, was machen wir bloß!"
    Katrinchen schaut von ferne zu.
    Uwe ruft: „Eine Stange. Wir müssen eine Stange haben."
    Am Rande des Schilfes finden sie einen Pfahl, lang und dünn, wie ihn die Fischer verwenden. Uwe und Jochen packen den Pfahl, jeder an einem Ende. Sie reißen mit allen ihren Kräften. Der Pfahl aber rappelt sich nicht. Er ist festgefroren.
    Uwe und Jochen rennen weiter.
    Katrinchen rennt mit.
    Auf der Eisscholle heult Bootsmann.
    „Was habt ihr gemacht?" ruft Katrinchen. „Na wartet, was habt ihr mit Bootsmann gemacht!"
    Uwe und Jochen traben am Schilf entlang. Sie suchen, suchen. Sie finden endlich einen dürren, vertrockneten Baumast. Hungrige Hasen haben seine Rinde ratzekahl abgenagt. Der Ast liegt mitten auf dem Eis. Seine Spitze und ein paar Zweige sind angefroren.

    Uwe und Jochen brechen den Ast vom Eise los. Dann jagen sie wie die Feuerwehr zur Kante, wo die Scholle treibt. Bootsmann bellt. Er springt, hüpft, er freut sich.
    Die Jungen legen sich auf den Bauch. Sie kriechen mit dem Ast an den Rand des Eises. Der Ast reicht dreimal bis zur Scholle. Seine Spitze fährt Bootsmann zwischen die Beine. Bootsmann macht einen Satz.
    „Gleich haben wir dich!" schreit Jochen. „Große Rettungstat!"
    Aber nichts. Jochen hat zu früh geschrien. Soll Bootsmann über den Baumast balancieren? Er ist kein Seiltänzer.
    „Die Scholle muß ran", sagt Uwe.
    Sie versuchen, die Scholle heranzuholen. Sie drücken mit dem Ast, von oben und von der Seite, sie keuchen und schwitzen. Aber die Scholle ist schwer und die Strömung kräftig. Der Ast rutscht weg, denn er findet keinen Halt, und die Arme der beiden Jungen werden müde. Sie schaffen’s nicht. Die Scholle treibt weiter. Und mit der Scholle treibt Bootsmann.
    So liegen die Jungen schließlich auf dem Eis, und dem einen wie dem anderen ist das Weinen nahe. Sie schauen der Scholle nach. Sie hören, wie Bootsmann leise winselt, ganz leise und traurig.
    Da verliert Jochen sein letztes bißchen Mut. Ihn überfällt die heulende Angst. Er springt auf. „Ich war’s nicht. Ich kann nichts dafür. Ich hab nichts gemacht." Dann reißt er aus. Jochen, der Boxer — Jochen, der mutige Eskimo — Jochen reißt aus. Er fegt übers Eis, als seien tausend Teufel hinter ihm her.
    „Jochen!“ ruft Uwe. Jochen aber hört und sieht nichts mehr. Er bricht krachend durchs Schilf. Er läßt Uwe allein.
    Und die Scholle treibt. Sie treibt am Eisfeld entlang.
    Uwe schaut sich um.
    Niemand ist zu sehn, niemand, der ihm helfen könnte.
    Nur Katrinchen ist da. Ihre rote Kappe leuchtet.
    Uwe läuft ein Stück übers Eis. Er weiß nicht, was er machen soll. Die Scholle treibt wie eine weiße Tafel.
    Katrinchen fragt:  „Kommt Bootsmann nicht mehr zurück?"
    Uwe antwortet nicht. Er muß überlegen, wie Bootsmann gerettet werden kann. Katrinchen sagt: „Aber Putt Bräsing wird schimpfen.“
    „Putt Bräsing!" Der helle Schreck steht Uwe im Gesicht. An Putt Bräsing hat er noch nicht gedacht.
    Putt Bräsing! Wie ein Donnerwetter wird er schimpfen: Ihr Kerle, ihr Strolche, ihr Taugenichtse! Habt den kleinen Hund aufs Meer hinaustreiben lassen!
    Aber Putt Bräsing hat den Schlepper. Er kann Bootsmann retten. Er dampft mit seinem Schlepper aus dem Hafen und holt Bootsmann von der Scholle. Ganz einfach, kinderleicht. Putt Bräsing, sonst keiner, wird Bootsmann retten.
    Uwe will los. Er will zu Putt Bräsing, schnell übers Eis und durchs Schilf und den Weg von der Bucht zum Hafen. Aber wer paßt solange auf, wo Bootsmann mit der Scholle hintreibt?
    Katrinchen?
    Katrinchen ist zu klein, sie fällt ins Wasser, vielleicht, oder kriegt Angst, so ganz alleine, oder fängt an zu spielen und paßt nicht mehr auf. Katrinchen kann ohne Uwe nicht hierbleiben.
    Aber einer muß zu Putt Bräsing.
    Kann das vielleicht Katrinchen tun?

    Uwe versucht es. Er sagt Katrinchen den Weg und sagt ihr dreimal hintereinander: „Du rennst so schnell, wie du rennen kannst."
    Katrinchen nickt. Aber ein bißchen ist ihr bange vor dem weiten Weg. Katrinchen trabt davon. Ihr Haarschwanz unter der roten Kappe flattert.
    Uwe folgt der Scholle. Er geht an der Eiskante. Die Scholle dreht sich in der Strömung.
    Bootsmann ist still. Manchmal bellt er, aber nur kurz, als wollte er Uwe etwas zurufen.
    Solange Uwe dableibt, wird Bootsmann still sein. Er spürt, daß
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