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Bonbontag

Bonbontag

Titel: Bonbontag
Autoren: Markus Nummi
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Asche.«
    Sollte ich darüber noch einmal nachdenken?, überlegte Ari. Das wird ein krasser Roman, dachte er erleichtert.

3   Ein Jahr zuvor

1
    Der Wecker klingelte.
    Paula machte sofort die Nachttischlampe an.
    Kurz ließ sie den Kopf noch einmal ins Kissen sinken, aber dann fiel es ihr wieder ein. Heute war ein wichtiger Tag.
    Sie stand auf, machte das Deckenlicht an, zog die Jalousien hoch.
    Das Licht brannte im vierten Stock, es war das einzige erleuchtete Fenster weit und breit. Oben befand sich noch eine Etage. Das störte Paula ein wenig. Es wäre besser gewesen, wenn über ihr niemand gewohnt hätte. Aber alles hing von der Einstellung ab. Man musste einfach außer Acht lassen, was nicht ins Bild gehörte.
    Draußen waren zwischen den Bäumen und Sträuchern die Lampen auf dem Wohnblockareal zu erkennen, jede schuf ihren eigenen kleinen Lichtkreis, der von der dünnen, bereits grau gewordenen Schneeschicht reflektiert wurde. Paula hob den Kopf, und ihr Blick fiel auf die helleren Lichter entlang der Straße. Ein einzelnes Auto fuhr vorüber, eine bewegliche schwarze Kapsel, deren schwache Lichtkegel über die Fahrbahn wischten. Oberhalb der Straßen- und Hofbeleuchtung war die Welt dunkel; viele Fenster nebeneinander, übereinander, in keinem einzigen Licht.
    Paula betrachtete das Dunkel. Hier oben, wo sie stand, leuchtete ihr Licht allein. So war es gut.
    Sie schlich in den Flur. Ganz leise drehte sie den Schlüssel, drückte die Klinke und öffnete die Tür. Blieb stehen. Hielt kurz den Atem an. Konzentrierte sich. Schlich ins Zimmer, ließ sich vom Licht im Flur den Weg leuchten, achtete genau darauf, wo sie hintrat.
    Das Kind schlief friedlich seinen seligen Schlaf. Sein Atem röchelte ganz leicht, es atmete durch den Mund. Aber sein Schlaf war tief. Die Hände hatte es um den Stoffhund mit den Schlappohren geschlungen. Paula konnte nicht übersehen, dass der ursprünglich weiße Hund stellenweise vor Schmutz dunkelgrau geworden war. Am liebsten hätte sie vorsichtig den Arm des Mädchens angehoben, den Hund an sich genommen und gewaschen. Oder noch lieber weggeworfen und an seiner Stelle einen neuen, sauberen gekauft. Was das für ein Geschrei gäbe! Nein, nicht einmal waschen durfte man ihn. Sie hob den Arm des Mädchens nicht an, weil ... Weil es so gut war. Sie wollte nicht, dass es aufwachte. Das Mädchen sollte schlafen, ein Kind im Wachstum brauchte Schlaf. Außerdem hätte sie für das Kind jetzt sowieso keine Zeit. Nicht jetzt, noch nicht.
    Sie hielt die Hand über den Kopf des Mädchens, ließ sie über die Haare gleiten, ohne sie zu berühren. Der dunkle Fleck auf der Wange hatte sich mittlerweile verfärbt. Bald wäre er verschwunden.
    Sie versicherte sich, dass alles an Ort und Stelle war. Die Tüten stapelten sich auf dem Schreibtisch, die Ecken schon aufgerissen. Zu essen war genug da. Das Wasserglas auf dem Nachttisch war leer, ebenso die Kanne daneben. Sie hatte dem Kind am Abend nur einen Schluck Wasser geben wollen, damit es in der Nacht nicht aufs Klo rennen musste.
    Paula wollte noch das Fenster prüfen. Da hielt sie inne.
    Der Fußboden. Ein einziges Durcheinander. Höchste Zeit, dass das Mädchen lernte, seine Spuren zu beseitigen.
    Sie warf einen Blick auf das Fenster. Alles so, wie es sein sollte. Die Vorhänge zugezogen. Auch die Jalousien. Der Stab zum Auf- und Zudrehen war schon vor zwei Jahren gebrochen, weil das Mädchen damit herumgespielt hatte. Seitdem waren die Jalousien zu geblieben. Nicht repariertworden. Aber das war in Ordnung. Nichts, was vor dem Fenster passierte, störte den Schlaf des Mädchens.
    Paula drehte sich um und stieß mit dem Fuß gegen etwas. Es war der Nachttopf, sie hatte ihn selbst für alle Fälle hingestellt.
    Sie nahm die Wasserkanne, schlich vorsichtig aus dem Zimmer und schloss ab. Dann atmete sie tief durch.
     
    Eines nach dem anderen, in der richtigen Reihenfolge.
    Die Haare. Paula bürstete sich die Haare.
    Warum? Niemand würde darauf achten. Das tat sie nur für sich. Aber so war es ja auch. Aus Achtung vor sich selbst richtete sie ihr Haar, sie tat es für ihre Weiterentwicklung, für ihre Arbeit.
    Sie aktivierte die Kamera, nahm aber noch nicht Platz, noch nicht.
    Auch der Mensch muss aktiviert werden.
    Sie schlich in die Küche und streckte sich zum obersten Regalfach. Ihre Hand tastete über das Brett, fand schließlich, was sie suchte. Einen Schokoriegel. Die Notration, nur für sie. Die Bonbons und anderen Süßigkeiten des
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