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Bonbontag

Bonbontag

Titel: Bonbontag
Autoren: Markus Nummi
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auf jedem Wort: »Du kannst jetzt nicht zu ihr.«
    Ari wirkte ebenso erschrocken wie der Junge, seine Frage kam mit erstickter Stimme: »Das Mädchen?«
    »Lebt«, antwortete Katri. Und versuchte mit den Augen zu signalisieren, an welch seidenem Faden sie hing.
    Die Wohnungstür ging auf, jemand kam heraus, blieb fast unmittelbar neben ihnen stehen, ging dann aber vorbei. Katri registrierte die blaue Uniform.
    Die wollte vielleicht etwas von ihr, wartete auf dem Lüftungsbalkon.
    Keine schlechte Idee. Sauerstoff.
    »Entschuldigung ... Ich geh kurz mal da raus.«
    Katri eilte die zwei Stufen nach oben. Lahtinen sog entschlossen die kalte Luft ein. Auch er war ganz blass. Fing mit gesenkter Stimme an über die praktischen Maßnahmen zu sprechen, dabei dampfte es ulkig aus seinem Mund. Ein Tatort. Kein Zutritt für Unbefugte. Befragung der betroffenen Parteien. Die Ermittler würden sich eventuell zwecks Informationsaustauschs an die Sozialbehörde wenden.
    Katri nickte. Sie atmete die kalte Luft ein und dachte anihre Rolle. Klarer Kopf. Eines nach dem anderen. Der Vater des Mädchens musste benachrichtigt werden. Die Polizei würde nach der Mutter suchen. Die wichtigsten Punkte in ein Protokoll. Fakten als Grundlage für die kommende Lagebeurteilung in Sachen Kindeswohlgefährdung.
    Lahtinen kam zum Ende. Beide schauten gleichzeitig nach unten. Der Junge hatte es überstanden. Wenigstens der Junge.
    Es tat gut, zu frieren und zu zittern.
     
    Katri ging wieder hinein.
    Die Polizistin sprach mit Ari. Auch viele andere Personen hielten sich im Treppenhaus auf. Die Besatzung des Notarztwagens ging gerade in die Wohnung. Ein Feuerwehrmann redete mit einem neu dazugekommenen Polizisten, Petri unterhielt sich mit den Nachbarn aus dem oberen Stockwerk, alle hatten viel zu reden, alle hatten jemanden, mit dem sie redeten. Außer ...
    Ein beklemmendes Gefühl in der Brust.
    Wo war der Junge? Wo war Tomi?
28
    Ari ging nach Hause. Er spürte die Kälte bis ins Mark. Der Schnee knirschte.
    Er spürte alles bis ins Mark.
    Sie hatten Tomi nicht gefunden. Man hatte geglaubt, er sei im Krankenwagen, um den Sanitätern seine Brandwunde zu zeigen, aber nein. Niemand hatte den Jungen gesehen. Er musste zwischen Krankenwagen, Polizei- und Feuerwehrauto hindurch davongegangen sein.
    Es war zu viel los gewesen. Ein neuer Alarm in der Innenstadt. Kurze Unklarheit, wer hinmusste.
    Den Worten der Sanitäter hatte Ari entnommen, dass es sich um einen Selbstmordversuch handelte. Eine Frau mittleren Alters hatte sich im Bad eingeschlossen.
    »Noch rechtzeitig?«, fragte einer.
    »Fifty-fifty«, antwortete ein anderer.
    In dem Moment hatte Ari eine Berührung am Arm gespürt. Eine aufmunternde, tröstende Berührung.
    Katri hatte ihm versichert, man werde den Jungen finden.
    Zum ersten Mal sah man Erschöpfung auf ihrem Gesicht.
    Ari hätte gern etwas gesagt. Er konnte nichts sagen.
    »Na dann tschüs«, hatte er bloß herausbekommen.
    »Ich melde mich, wenn etwas ...«, hatte Katri geantwortet.
    Ari ging auf dem direkten Weg durch die Grünanlage, ohne darauf zu achten, wo er hintrat.
    Trat durch das Tor in den Hof.
    Schaute auf die Fenster seiner Wohnung. Dort brannte Licht.
    Leena und Anni!
    Er rannte los. Die Beine nahmen ihn einfach mit.
    Als er das Treppenhaus erreicht hatte, klingelte sein Handy.
    Es war Leena, aber er mochte sich nicht mehr melden.
    Stattdessen schloss er die Tür auf.
    »Hallo, Ari, ich habe gerade versucht, dich anzurufen«, rief Leena aus der Küche. »Wir haben nämlich ...«
    Ari trat in die Küche.
    Da saßen sie am Tisch. Leena, Anni und Tomi.
    » ... Besuch«, beendete Leena ihren Satz.
    Ari stand wie versteinert da. Erleichtert.
    Tomi sah ihn an, als wolle er um Entschuldigung bitten.
    Da war Anni bereits aufgestanden, hatte angefangen, etwas zu erklären, aber Ari hörte nicht zu, er hörte nichts, als er das Mädchen auf den Arm nahm und die kleinen Hände um seinen Hals spürte.
    Tomi saß mit gesenktem Kopf da, betrachtete seine rußigen Hände. Ari setzte seine fröhlich plappernde Tochter auf Leenas Schoß und wandte sich dem Jungen zu. Streckte ihm die Hand hin. Tomi blickte auf, schlug ein. Bevor Tomi seine Hand wieder wegziehen konnte, hielt Ari sie fest. Drückte sie.
    »Gut gemacht. Gekonnt.«
    Tomi rutschte auf dem Stuhl hin und her. Das Lob war angekommen.
    »Hast du Hunger?«, fragte Ari.
    »Nein«, sagte Tomi. »Oder ein kleines bisschen.«
    Sie aßen Brot, Butter, Käse und Wurst.
    Zwischendurch
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