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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren
Autoren: Wolfgang Brenner
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hat?«, wandte ich mich an Miller.
    Straßer antwortete für ihn: »Nach Hause natürlich. Wohin sonst? Pierre Brück kümmert sich eben um seine Schäfchen.«
    Das meinte er ernst. Doch Miller schüttelte den Kopf.
    »Das hat mich auch gewundert. Ich fuhr auf meinem Heimweg zwangsläufig noch eine Weile hinter dem Wagen des Bürgermeisters
     her. Und da ist er an der Straßenmeisterei abgebogen. Mitten in der Nacht. Aber Pierre Brück wird schon wissen, was er tut,
     dachte ich mir. Das weiß er doch immer.«

|227| 19. KAPITEL
    D ie Schaurener Straßenmeisterei war ein heruntergekommener Bauhof. Er bestand aus einem Schuppen, in dem Sand, Kies und Bauabfälle
     lagerten, und zwei Fahrzeugen, die davor parkten. Das Tor – zwei mit Maschendraht bespannte Holzrahmen mit einem Vorhängeschloss
     – stand weit offen. Ich ging über den staubigen Rollsplitt zum Schuppen. Bei jedem Schritt knirschte es.
    Das erste Fahrzeug, eine Art Trecker mit Baggerschaufel, war so verrostet, dass es seit Jahren nicht mehr bewegt worden sein
     konnte. Beim zweiten, einem kleinen Laster, musste ich nicht lange suchen. Auf der Ladefläche roch es nach Benzin. Ein dunkler
     Fleck, der den Staub angezogen hatte wie ein Magnet, fühlte sich klebrig an. Es war ein schmieriger Benzinrest. Mehrere Liter
     mussten ausgelaufen sein.
    Ich ging hinüber zu dem Schuppen. Dort gab es ein kleines Büro und einen Aufenthaltsraum für die Gemeindearbeiter. Die Fenster
     waren so schmutzig, dass man nicht hineinsehen konnte.
    Im dunklen Flur kamen mir die Hagenaus entgegen. Die beiden Brüder trugen saubere, neue Blaumänner. Luc hatte sogar einen
     Werkzeugkasten dabei. Der alte Hagenau war in Straßenkleidern. Er spielte den Vorarbeiter.
    Als Pierre Brück aus dem hinten gelegenen Büro trat und mich in der Tür entdeckte, erschrak er. Doch er fing sich schnell
     wieder und scheuchte die drei auf den Hof.
    »Zuerst kümmert ihr euch um den Schaufeltrecker! Den werdet ihr doch wieder flottkriegen, oder?«
    |228| »Wir haben bisher noch jede Mühle flottbekommen, patron !«, brüstete sich Charles.
    Sein Vater konnte mir nicht in die Augen schauen. Er drängte seine Söhne zur Tür. Als er sich an mir vorbeidrückte, murmelte
     er etwas, was ich nicht verstand.
    »Du bist mir für alles verantwortlich, Hagenau!«, rief Pierre Brück hinter dem Alten her.
    »Ay, ay, Sir«, bellte der Alte.
    Pierre Brück tat so, als habe er mich gerade erst entdeckt. »Unser Polizeichef auf dem Bauhof! Haben Sie nicht alle Hände
     voll zu tun? Was ist mit der Explosion auf dem Wackesberg?«
    »Deshalb bin ich hier.«
    Der Bürgermeister riss die Augen auf und tat überrascht. »Hier? Wieso hier?«
    »Die Hagenaus arbeiten jetzt für die Gemeinde?«
    Draußen wurde es laut. Durch eines der verstaubten Fenster konnte man sehen, wie die Hagenaus den alten Trecker begutachteten.
     So etwas ging bei den dreien nicht ohne Geschrei ab.
    Pierre Brück betrachtete seine neuen Mitarbeiter zufrieden, obwohl sich Charles und Luc bereits lauthals um das Werkzeug stritten
     und der Alte auf dem Trittbrett saß und einen großen Schluck aus seinem Flachmann nahm.
    »ABM. Wir haben ein paar Euro Lohnsubvention vom Arbeitsamt in Metz ergattert. Und da dachte ich, warum nicht die Hagenaus?
     Wenn es jemanden gibt in Schauren, dem ABM guttut, dann ihnen. Und die Allgemeinheit kann aufatmen, wenn die Burschen von
     der Straße sind. Sie sehen ja selbst: Die Hagenaus sind motiviert.«
    »Kann es sein, dass Sie Ihre Meinung über die Hagenaus geändert haben?«
    Brück tat versöhnlich. »Ach«, seufzte er, »die Hagenaus sind lange genug aus der Dorfgemeinschaft ausgeschlossen gewesen.
     Wird Zeit, dass ich den ersten Schritt tue, um die verlorenen Söhne zurückzuholen. Als Bürgermeister sollte man Nachsicht |229| zeigen können. Ein guter Hirte muss sich auch um die schwarzen Schafe kümmern.«
    »Ich bin mir sicher, dass die Hagenaus es waren, die die Explosion auf dem Wackesberg ausgelöst haben.«
    Ein Schatten huschte über Brücks Gesicht. »Das sind schwerwiegende Vorwürfe, Herr Bollinger. Sie sprechen über Angestellte
     der Gemeinde Schauren.«
    »Hören Sie auf mit dem Theater, monsieur le maire ! Es wären nicht die ersten Ihrer Gemeindeangestellten, die eine Straftat begehen – oder haben Sie den Einbruch vergessen?«
    Brücks Augen wurden klein. Er riss das Fenster auf, die Scheiben vibrierten.
    »Kommt mal her, Leute!«, brüllte der Bürgermeister. Seine Unterlippe
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