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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren
Autoren: Wolfgang Brenner
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Wanderzirkus aufgebürdet.
     Das Musical ist ein elendes Abschreibungsgrab, das ist Pierre jetzt erst klar geworden. Diese angeblich großen Investoren
     – das sind Steuerbetrüger und Kriminelle, die ihre Schwarzgelder waschen wollen. Niemand wollte wirklich einen dauerhaften
     Erfolg. Auch dieser Schwierz nicht. Ein KZ auf dem Wackesberg – auf eine solche Gelegenheit hat dieser Betrüger nur gewartet.
     Wer weiß, ob er es nicht schon von Anfang an wusste. Kannst du dir vorstellen, was das finanziell heißt? Jahrelange Prozesse
     bis vor den Europäischen Gerichtshof. Das hat er Pierre angekündigt, diese Ratte. Felix, verstehst du das denn nicht? Pierre
     musste etwas tun, damit Schwierz freiwillig aufgab.«
    |232| »Mithilfe der Hagenaus«, sagte ich. »Sie mussten dafür sorgen, dass Schwierz die Finanziers davonliefen, bevor es überhaupt
     losging.«
    »Wäre dir eine bessere Lösung eingefallen?«
    »Nein«, antwortete ich. »Wahrscheinlich nicht.«
    »Es war zu unser aller Wohl, Felix! Und ich musste Pierre helfen, das war meine Pflicht. Und dich musste ich beschützen. Damit
     du keinen Fehler machst. Es wäre ein Riesenfehler gewesen, Pierre daran zu hindern, das zu tun, was er tun musste.«
    Wortlos drehte ich mich um und ging. Es war endgültig vorbei.

|233| 20. KAPITEL
    I n den nächsten Tagen trafen endlich die Ergebnisse der Untersuchungen ein, die ich vor Wochen veranlasst hatte. Das erste
     Gutachten kam aus Metz. Die Kollegen vom dortigen Erkennungsdienst hatten den Schuh untersucht, den wir nach dem ersten Brand
     gefunden hatten. Mithilfe eines Lederfachmanns der Handwerkskammer war es ihnen gelungen, die Herkunft der Ware festzustellen:
     Der Schuh kam wahrscheinlich aus belgischer oder niederländischer Fabrikation. Ganz sicher war man sich aber nicht.
    »Das ist doch was«, sagte ich. »Offensichtlich liegen wir richtig mit Jean Hagenau und Lüttich.«
    Louis Straßer gähnte. Alain Miller war am Computer beschäftigt. Obwohl er den Lautsprecher ausgeschaltet hatte, sah man es
     seinem roten Kopf an: Er spielte wieder Tetris.
    »Was ich euch noch nicht erzählt habe: Ich habe mit dem Klinikum in Lüttich telefoniert und mich mit dem Chefarzt der Schmerzabteilung
     unterhalten. Unser Jean Hagenau nahm an einer Langzeituntersuchung mit Schmerzpatienten teil. Er litt seit Jahren unter heftigen
     Kopfschmerzen. Wegen der Kugel in seinem Kopf.«
    Das weckte sogar Louis Straßer auf. »Unser Jean Hagenau? Und er soll jahrzehntelang mit ’ner SS-Kugel im Schädel rumgelaufen
     sein? Und dann kam er nach Schauren zurück und hat sich auf dem Wackesberg erhängt?«
    »Genau. Dort, wo die SS ihn ins KZ gesteckt hat.«
    »Das glaube ich nicht«, widersprach Straßer. »Das sind doch Hirngespinste.«
    |234| Ich schob ihm den zweiten Bericht hin, das Ballistikgutachten. »Hier. Lesen Sie! Das Projektil im Kopf des Toten stammte aus
     einer SS-Waffe. Und erinnern Sie sich an das Metallteil, das wir nach dem Brand auf dem Wackesberg gefunden haben? Die Waffe
     hatte allerdings nichts mit dem Erhängten zu tun. Es war ein Überbleibsel aus dem KZ Wackesberg – wahrscheinlich von den Wachen
     auf der Flucht vor den Alliierten zurückgelassen. Im Übrigen steht mit großer Wahrscheinlichkeit fest: Der Tote hat sich selbst
     erhängt – nichts deutet auf eine Gewalteinwirkung durch Dritte hin. Schreibt jedenfalls der Gerichtsmediziner Marc-Joseph
     Hummer in seinem abschließenden Gutachten.« Straßer tat so, als überfliege er Hummers Bericht. Er rieb sich das Kinn.
    »Komische Geschichte. Sehr komisch.«
    Ich lehnte mich zurück. Es war Zeit, dass ich die Ernte einfuhr. Ich hatte lange genug stillgehalten, hatte mich lange genug
     verwirren lassen.
    »Deutsche Dienststellen haben nach der Nummer auf der Erkennungsmarke geforscht, die wir im Grab in Niederbronn gefunden haben:
     Es ist wirklich die Wehrmachtsmarke von Lothar Wilhelm aus Pirmasens, umgekommen 1944 bei einem Autounfall in der Nähe von
     Straßburg.«
    »Und?«
    »Im Grab liegt ein deutscher Soldat. Der Humpel-Jean aber hat den Krieg überlebt. Nach einem halben Jahrhundert ist er nach
     Schauren zurückgekommen, um hier zu sterben. Er hat die Schmerzen nicht mehr ausgehalten. Oder die Erinnerung.«
    Eine ganze Weile war nur das leise Klicken der Tastatur von Millers Computer zu hören.
    »Das erklärt aber immer noch nicht, wer den ersten Brand gelegt hat«, sagte Louis. »Der Humpel-Jean kann es ja schlecht gewesen
     sein.«
    »Warum
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