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Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Titel: Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman
Autoren: Bastei Lübbe
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und Vetter Gerrit.
    Ich las den mageren Text mehrmals. Sein Inhalt tat mir weh, und ich dachte an Elkes Eltern. Mich, ihren Freund, hatten sie nicht erwähnt. Enno lebte nicht mehr, er konnte nicht trauern, aber wie ich wusste, konnte er Elke empfangen und einführen in die Welt der Verstorbenen, die nicht tot sind, sondern mit ihrem geistigen Leib weiterleben.
    Von einer feierlichen Beisetzung war nicht die Rede. Ich weinte still vor mich hin und wusste, dass damit weder Elke noch mir gedient war.
    Hartwig fiel mir ein. Er musste die Beerdigung durchführen.
    Ich ging zum Telefon und rief ihn an.
    »Upplewarf kocht«, sagte er, »die Erntearbeiten setzen bald ein. Söhne und Knechte fehlen.«
    »Und der Graf?«, fragte ich.
    Hartwig lachte. »Er sammelt Unterschriften für eine Bürgerinitiative!«
    »Er kann doch nicht die ›Eins-Zwei-Bande‹ als Kolpingverein verkaufen!«, sagte ich empört und witterte eine Gefahr.
    »Nein, das will er nicht. Er behauptet, dass die Kanone von seinen Feinden dort aufgestellt worden und der harmlose Jungmännerzug rein zufällig dort zu ihr gestoßen sei.«
    Ich antwortete entsetzt: »Das kann er seiner Großmutter erzählen!«
    Hartwig sagte: »Ich sehe das genauso. Nur lass dich nicht zur Beerdigung hier sehen. Sie würden dich steinigen.«
    Ich sagte: »Das geht klar. Aber ist Elke bereits bei euch?«
    Hartwig sagte: »Sie wird morgen aufgebahrt.«
    Ich legte auf. Verwandte hatte ich nicht, zu denen ich Zuflucht nehmen konnte.
    Entschlossen verließ ich meine Wohnung und vermisste mein Auto.
    Ich wollte die Gräber aufsuchen. Im Blumengeschäft kaufte ich einen Riesenstrauß Sommerblumen und eine Seerose, ging an den Taxistand und ließ mich zum Friedhof fahren.
    Auf Erikas und Anjas Grab legte ich einen großen Teil des Straußes ab und fuhr mit dem Taxi weiter nach Upplewarf, um dort den Rest des Straußes abzulegen. Niemand nahm dort von dem Taxi Kenntnis.
    »Warten Sie einen Moment«, wies ich den Fahrer an, der mich öfter unterwegs heimlich beobachtet hatte und mich für einen halb irren Sonderling hielt. Er war noch jung. Von Menschen verstand er nicht viel. Er beobachtete seine Fahrgäste, suchte sie nach Merkmalen ab und brachte sie in den Zusammenhang zu der Trinkgeldhöhe.
    Über Turm und Kirche glitten blasse Wolken. Die Sonne hatte viele Gelegenheiten, mit ihren meist kurzen Auftritten ihr heißes Sommerlicht loszuwerden. Der Küstenwind trocknete mir den Schweiß.
    Auf den Gräbern durchbrachen farbige Blüten das triste Braun und Immergrün. Jetzt, ohne Menschen, ohne Grau, lag Friede über dem gewaltigen Hügel. Schmetterlinge umflogen Gedenksteine, und Mücken tanzten um verrostete Kreuze.
    Ich war nicht ohne Angst. Hastig setzte ich meine Schritte, um Ennos Grab zu erreichen. Es war gepflegt, und auf einem kleinen, bläulich geschliffenen Stein las ich seinen Geburts- und Todestag. Ich legte meine Blumen vor dem Stein ab.
    Erst jetzt erfasste mein Blick den Mann, der in etwa fünfzig Metern Entfernung seine Schaufel ablegte, sich den Schweiß abwischte und zu einer Bierflasche langte. Er winkte mir kurz zu und setzte die Flasche an den Mund. Ich drehte mich um und eilte meinem Taxi entgegen.
    Elkes Gruft, fuhr es mir durch den Kopf.
    »Was haben Sie, Mann?«, fragte der Taxifahrer, als ich überhastet zu ihm stieg.
    »Nichts. Es wird schon besser. Fahren Sie mich nach Berumersiel«, sagte ich und zückte meine Brieftasche, als er auf die Zähleruhr blickte, die bereits bei neunundsiebzig Euro, für ihn sensationell hoch, lag.
    »Ich zahle«, sagte ich.
    Er kassierte, ich gab ihm den einen Euro Wechselgeld zurück. Zufrieden drehte er den Zähler um und startete. Auf dem Rücksitz des Taxis lag die Seerose.
    Die Fahrt an der sich ausblühenden Natur vorbei ließ mich mehr als früher kleine Einzelheiten erkennen. Ich suchte nach dem Blau der Kornblume, als ich an den Knecht dachte, der sein Deputat mit der kleinen Aluminiumkanne glücklich nach Hause getragen hatte. Das selten gewordene Rot des Klatschmohns, die großzügig gewachsenen Schafgarben und die vielen, vielen gelben Löwenzahnblüten versuchte ich wie ein Maler auf die Leinwand zu reproduzieren. Das auf grünen Wiesen grasende Buntvieh gehörte wie der ständige Wind dazu.
    Elkes Grab, das der Mann schaufelte, würde bald mit blühenden Pflanzen bewachsen sein, dachte ich. Elkes junges Leben war dahingerafft worden, bevor es Früchte tragen konnte. Hätte ein Kind von ihr mir den frühen Herbst
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