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Boeses Mädchen

Boeses Mädchen

Titel: Boeses Mädchen
Autoren: Amélie Nothomb
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Kleider vom Leib gerissen hatte, um sich an meiner Scham zu weiden, sie sprach von Gewalt?
    »Was versprichst du dir eigentlich davon, Sachen über mich herumzuerzählen? Wahrscheinlich würdest du mich liebend gern bei meinen Freunden und meiner Familie unmöglich machen!«
    »Das sind deine Methoden, Christa, nicht meine«, sagte ich.
    Das hätte sie eigentlich beruhigen müssen. Sie hatte allen Grund zu fürchten, daß ich ihrem Vater oder ihrer Clique die Wahrheit sagte. Aber es war ihr kein Trost, daß ich mich nicht so weit erniedrigen wollte. Im Gegenteil, sie sah nur, daß ich ihr haushoch überlegen war, und wurde sich ihrer Niederlage desto mehr bewußt.
    »Spiel bloß nicht die Hochmütige!« giftete Christa. »Das verträgt sich schlecht mit deiner Art und deiner peinlichen Schnüffelei. Du mußt ein riesiges Bedürfnis haben, mir zu schaden, daß du dich zu so was hergibst!«
    »Das brauch ich doch gar nicht, Christa«, gab ich gleichmütig zurück. »Du bist ausgesprochen begabt darin, dir selbst zu schaden.«
    »Vermutlich habt ihr euch die ganze Zeit über mich das Maul zerrissen. Na ja, wenigstens habt ihr euch nicht allzusehr gelangweilt.«
    »Wir sprechen nie über dich – auch wenn du dir das kaum vorstellen kannst.«
    Nach diesen Worten drehte ich mich um und ging. Ich kostete meine Stärke aus.
    Ein paar Tage später bekam mein Vater Post von Herrn Bildung:
     
    Christa hatte ganz recht, ihr ungastliches Haus zu verlassen. Ihr schändlicher Versuch, meine Tochter zu erpressen, spottet jeder Beschreibung. Sie können froh sein, wenn ich keine Anzeige gegen Sie erstatte.
     
    »Sie versucht uns mit allen Mitteln zu einer Reaktion zu bewegen«, sagte mein Vater, nachdem er uns den Brief vorgelesen hatte. »Ich würde gern erfahren, welcher Art von Erpressung ich mich schuldig gemacht habe.«
    »Willst du diesen Herrn nicht anrufen und ihm die Wahrheit sagen?« fragte meine Mutter.
    »Nein, weil das genau die Reaktion wäre, die Christa sich erhofft.«
    »Aber warum? Das kann ihr doch nur schaden!«
    »Anscheinend braucht sie das. Nur, ich will das nicht.«
    »Stört es dich denn gar nicht, wenn sie so ein Bild von dir verbreitet?«
    »Nein. Ich weiß, daß ich mir nichts vorzuwerfen habe.«
     
     
    Ich hatte den Eindruck, daß Christas Clique mich abgrundtief verachtete. Erst schob ich das auf meinen Verfolgungswahn. Doch als eines Morgens ihr bester Freund auf mich zukam und mir ins Gesicht spuckte, wußte ich, daß ich mir das nicht eingebildet hatte. Ich wollte ihn schon beiseite nehmen und ihn fragen, womit ich mir diese Behandlung verdient habe. Da sah ich Christa, die mich mit spöttischer Miene beobachtete. Sie wartete offensichtlich genau auf eine solche Reaktion. Ich tat so, als hätte ich nichts bemerkt.
     
    Die Anwürfe nahmen kein Ende. Das folgende Prosajuwel entstammt einem Brief, den Frau Bildung meiner Mutter schrieb:
     
    Wie meine Tochter Christa mir mitteilte, haben Sie von ihr verlangt, sich nackt auszuziehen. Daß jemand wie Sie noch Kinder unterrichten darf, finde ich höchst bedauerlich.
     
    Mir wurde die Ehre zuteil, von Detlev höchstselbst beschimpft zu werden. Er schrieb, ich würde als alte Jungfer enden, weil keiner einen solchen Stockfisch haben wolle. Aus der Feder dieses Apolls hatte das sogar einen gewissen Reiz.
     
    Wir fanden fast ein Vergnügen daran, den Schmähungen aus dem Osten mit marmorner Gleichgültigkeit zu begegnen. Kommentarlos tauschten wir die Briefe und lächelten verschmitzt.
    Wir sprachen nicht von Christa, doch sie beherrschte mein Denken. Da nur ich ihren wahren Namen kannte – Antichrista –, meinte ich sie am besten zu kennen und kam zu folgendem Ergebnis: Wir waren zu ihrer Zielscheibe geworden, weil wir in dieser Welt des Mittelmaßes dem Bösen noch am wenigsten nahekamen. Sie wollte uns ihrem Reich einverleiben und war daran gescheitert. Wie konnte sie das verkraften? Lieber zerstörte sie noch sich selbst, um uns mit sich in den Untergang zu reißen. Daher mußten wir unbedingt stillhalten.
     
    Das kostete mehr Energie als zu handeln. Ich hatte keine Ahnung, was Christa an der Uni über mich verbreitete, aber nach dem Abscheu zu schließen, der aus den Blicken der Studenten sprach, mußte es ziemlich übel sein.
    Die allgemeine Empörung war so groß, daß sogar Sabine mich ansprach: »Wenn ich bedenke, daß du mich auch haben wolltest! Igitt!«
    Ich sah ihr nach, wie sie mit fliegenden Flossen davonschoß, und fragte mich, was
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