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Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum
Autoren: Birgit Schlieper
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zuckt, als sie ihre Mutter genau in dem Moment laut lachen hört.
    Sie dreht den Kopf wieder zurück, guckt dem Mond ins Gesicht. Will sie das? Möchte sie ihren Eltern eine solche Angst machen? Möchte sie wirklich, dass ihre Eltern weinend auf der Couch sitzen und das Telefon anstarren? Der Gedanke tut ihr weh. Aber hat sie eine andere Chance? Möchte sie selber weinend in einem gottverlassenen Zimmer in Frankreich sitzen und dort selber das Telefon anstarren und hoffen, dass Emilia anruft? Möchte sie Angst haben, dass Emilia gerade an all den vertrauten Plätzen mit all den vertrauten Menschen ist und sich amüsiert und sie vergisst? Nein. Definitiv nein.
    Â»Gut, dann entführ mich«, sagt Charlotta feierlich.
    Sie hat keine Ahnung, dass dieser Vorschlag fast ein tödlicher ist.

Plan A und ein gemaltes Aquarium
    A ls Emilia die Augen aufschlägt, guckt Charlotta ihr direkt ins Gesicht. Es war am Vorabend ein Leichtes gewesen, die Eltern davon zu überzeugen, dass Charlotta bei der Freundin schlafen durfte.
    Â»Natürlich erlauben deine Eltern es«, hatte Emilia Charlotta zugeflüstert. »Sie haben doch ein megaschlechtes Gewissen, weil sie glauben, uns trennen zu können. So kann man sich täuschen.«
    Â»Lass uns planen. Wie und wo wollen wir es machen?«, fragt Charlotta drängelnd, obwohl sie eigentlich weiß, dass Emilia in der Stunde eins nach dem Aufwachen nicht ansprechbar ist.
    Emilia streckt sich, zerwuschelt sich ihr kurzes braunes Haar. Die Erinnerung an ihr gemeinsames Vorhaben mach t sie wach und übermütig.
    Â»Ich werde dich jetzt knebeln, fesseln und unter mein Bett rollen. Und wenn du lieb bist, bekommst du ab und zu einen Happen. Wenn du böse bist, suche ich einen schönen Schlagersender im Radio, drehe auf und verpiss mich.«
    Â»So wie es auf deinen Möbeln aussieht, muss unter deinem Bett ein Staubinferno sein. Da will ich nicht hin.«
    Emilia dreht sich zu der Freundin. »Ganz im Ernst. Lass mich darüber mal in Ruhe nachdenken. Heute haben wir uns erst mal einen geilen ersten Ferientag verdient.« Sie hält ihre flache Hand hoch und Charlotta gibt ihr wie erwartet High-Five.
    Nach einem ausgiebigen Frühstück und langem Duschen geht es in die City. Schließlich ist am Abend die Ferien-Auftakt-Party am Baggersee. Die Freundinnen erstehen extra dafür luftige Röcke mit Blumenmuster, Charlotta gönnt sich noch ein paar mintgrüne Sandalen mit Glassteinchen.
    Mitten auf der Party sieht Emilia plötzlich die Fragen wie in Leuchtbuchstaben vor sich: Was, wenn es nicht klappt? Wenn die Entführung nicht funktioniert? Wenn Brandts nicht so reagieren wie erhofft?
    Von einer Zehntelsekunde auf die andere friert Emilia. Ihre Augen tasten die Menge ab, wandern von Gesicht zu Gesicht, werden endlich fündig. Charlotta singt gerade laut mit, schüttelt dabei den Kopf. Direkt danach löst sie mit einer Hand ihren Knoten, um wieder einen stracken Pferdeschwanz zu machen und diesen dann hochzustecken. Emilia lächelt zärtlich. Wie oft hat sie das schon gesehen? Wie oft hat sie Charlotta schon damit aufgezogen? Warum hast du eigentlich lange Haare, wenn du immer dieselbe Frisur hast? Immer denselben Knoten? Manchmal, ganz selten erlaubt Charlotta ihr, sie zu frisieren und andere Frisuren auszuprobieren. Mit denen Charlotta natürlich niemals rausgegangen ist. Emilia beobachtet Charlotta weiter, saugt die vertrauten Bewegungen und Gesten auf.
    Ihr ist klar: Der Plan muss klappen. Es gib keinen Umschlag B.
    Emilia versucht noch ein bisschen, sich zu amüsieren, spürt, dass es nicht klappen wird. Sie schlendert von Gruppe zu Gruppe, kann sich auf kein Gespräch – sei es noch so oberflächlich – konzentrieren. Sie fühlt sich entkoppelt. Sie fühlt eine neue Angst in sich. Eine, die schärfere Zähne hat, die hungriger ist als die vertraute Furcht.
    So hat sie sich nicht geängstigt, als ihre Eltern sich haben scheiden lassen.
    So hat sie sich nicht geängstigt, als die Sache mit ihrem Kopf war.
    Den ganzen Sonntag sitzt sie am Schreibtisch. Sie hat die Vorhänge zugezogen. Auf dem Zettel vor ihr steht:
    Wo verstecken?
    Lösegeld?
    Wie lange?
    Immer wieder fährt sie die Buchstaben mit dem Stift nach. Mit Mühe schafft sie es, das Blatt zu verstecken, als Sophie in ihr Zimmer platzt.
    Â»Kannst du nicht anklopfen«, blafft sie ihre große Schwester an.
    Sophie
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