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Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum
Autoren: Birgit Schlieper
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aufwacht, dauert es nur eine halbe Sekunde, bis es ihr einfällt. Alle Muskeln tun ihr weh. Aber am meisten schmerzt die Angst.
    Sie küssen sich wie jeden Morgen zur Begrüßung. Danach klammern sie sich aneinander.
    Â»Erzähl«, flüstert Emilia irgendwann in Charlottas Haare.
    Die zieht die Nase feucht hoch, wischt sich mit dem Handrücken über die Augen, legt ihre Stirn auf Emilias Schulter. »Was soll ich sagen? Sie schicken mich weg. Die Nachricht gab es gestern nach dem Abendessen. Ich dachte, ich droppe aus.«
    Â»Warum? Warum tun sie das?« Emilia drückt sich kurz mit zwei Fingern fest auf die Augenbrauen. Sie kann das alles nicht glauben.
    Charlotta lacht bitter. »Sie wollen ja nur mein Bestes. Meinen, dass ich in Französisch noch mehr leisten könnte.«
    Â»Verdammt, du schreibst eine Eins nach der anderen.« Emilia ist richtig wütend mittlerweile.
    Â»Ja, aber sie sagen, in unserer Schule sei das Niveau nicht hoch genug. Und gerade meine Zweisprachigkeit soll doch später mal mein großer Vorteil sein. Und es sei ja nur für ein Jahr. Mein Abi könne ich dann wieder hier machen.«
    Emilia drückt fester mit ihren Fingern zu. Sie versucht sich zu konzentrieren, zu kontrollieren. »Das glaube ich deinen Eltern nicht. Wenn du erst mal auf diesem Internat bist, musst du da bleiben. Glaub mir. Die lügen dich an. Nur ein Jahr. Haha. Die wollen nur erreichen, dass du zustimmst.«
    Es klingelt zum zweiten Mal. Emilia nimmt Charlotta an die Hand. »Komm. Wir kriegen das hin. Mach dir keine Sorgen.«
    Noch hat sie keinen Plan. Keine Ahnung, wie sie es hinkriegen will, dass Charlotta nicht auf dieses Internat muss. Aber es ist ihre Rolle, die Starke zu spielen. Sie ist in dem Duo diejenige, die immer eine Lösung aus dem Hut zaubert. Sonst zumindest immer. Sie ist die Mutige, Verwegene, Vorlaute. Meistens. Es gibt aber auch Momente, in denen ist sie klein und wackelig. Niemand außer Charlotta kennt diese Momente und ist zur Stelle. Es ist die andere Emilia, die keiner kennt. Außer Charlotta.
    Mitten in der Geschichtsstunde wird ihr das klar. Dass sie Charlotta bald vielleicht nicht mehr hat. Die Tränen fließen, als hätten Schleusen, die jetzt geöffnet werden, sie gestaut. Sie hebt nicht die Hand, um zu fragen, ob sie auf die Toilette gehen darf. Sie steht einfach auf und eilt mit großen Schritten zur Tür. Den Kopf hält sie so tief wie möglich.
    Auf dem Klo schließt sie sich ein. Lehnt sich an die Tür und lässt den Kopf nach hinten fallen. Die Tränen sollen verdammt noch mal zurücklaufen. Dahin, wo sie hergekommen sind. Sie braucht fast bis zum Ende der Stunde. Ihre Augen sind feuerrot, als sie sich wieder auf ihren Platz setzt. Charlotta guckt ängstlich zu ihr, doch Emilia versucht sie anzulächeln. »Alles wird gut« soll das heißen. Es sieht ein bisschen schief aus.
    Direkt in der großen Pause gehen die Freundinnen zum Teich. Eigentlich ist der Teich nur noch ein Tümpel, der in der letzten Ecke des Pausenhofs vor sich hin müffelt. Rücken an Rücken setzen sich die Mädels auf einen Stein. So wie immer.
    Â»Weißt du, was mich fast am meisten nervt? Die haben mir einfach mitgeteilt, dass ich nach den Sommerferien auf dieses französische Dings gehe. Dass ich schon angemeldet bin. Sie haben das nicht mit mir besprochen oder so. Die haben das entschieden und fertig. Als wäre ich ein Sessel, den man einfach woanders hinstellen kann.«
    Â»Ich versteh das nicht. Deine Eltern sind doch sonst nicht so. Hattet ihr Stress in der letzten Zeit?«
    Â»Nein. Nein. Gar nicht.«
    So reden sie. Die ganze erste Pause, die zweite Pause und den ganzen Nachmittag. Immer wieder dieselben Fragen. Warum, wieso und wie können wir das ändern?
    Sie liegen auf Emilias Bett. Wie so oft. Aber es hat heute einen anderen Beigeschmack. Ein bisschen wie »das erste von den letzten Malen«. Emilia spielt mit Charlottas Haaren. Dreht sich die Strähnen um den Finger.
    Â»Ich entführe dich einfach.« Die Worte fallen aus Emilias Mund. Sie hatte sie vorher nicht gedacht. Die Worte hatten sich selber gebildet.
    Â»Klar. Und dann schneidest du Buchstaben aus Zeitungen aus und schickst meinen Eltern einen Erpresserbrief. Was willst du schreiben? Dass sie hoch und heilig versprechen sollen, dass ich nicht nach Frankreich muss?«
    Charlotta lacht Emilia nicht aus wegen des
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