Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum
Autoren: Birgit Schlieper
Vom Netzwerk:
klein und schiebt ihn in ihr Portemonnaie.
    Eigentlich würde sie sich jetzt am liebsten sofort mit Charlotta treffen und ihr den Plan erklären, doch die ist heute auf einem Beachvolleyballturnier, und Emilia hat keine Lust auf die gut gelaunten Volleyballer. Sie hat noch nie verstanden, was Charlotta an diesem Sport gut findet. Emilia hasst grundsätzlich alle Mannschaftssportarten. Sie tritt nicht gerne im Team an. Seit ein paar Jahren spielt sie Badminton. Ein paarmal hatte der Trainer versucht, sie für das gemischte Doppel zu gewinnen. Nachdem sie ihrem Partner einmal den Schläger an den Kopf geworfen hatte, weil dieser einen Schmetterball ins Netz geschmettert hatte, wurde sie nicht mehr gefragt.
    Kurz entschlossen setzt Emilia sich aufs Rad und fährt zu dem verfallenen Haus. Auf ihrem Weg zu der windschiefen Haustür guckt sie sich immer wieder verstohlen um. Es wäre einfach saudoof, wenn sie jetzt hier gesehen würde. Der verschlissene Küchenvorhang zittert leicht durch die kaputte Fensterscheibe. Als sie die angelehnte Haustür mit einem leichten Tritt öffnet, sieht sie zwei Mäuse in einem Loch verschwinden. Ziemlich große Mäuse. Sie verbietet sich den Gedanken, dass das Ratten gewesen sein könnten. Durch die Räume streifend, registriert zum ersten Mal die verblichene Blümchentapete im Wohnzimmer. Was waren das für Menschen, die sich so eine Tapete an die Wand klebten? Wer hat hier mitten im Nichts und zudem im Dunst des Klärwerks gewohnt? Vorsichtig geht Emilia die Holztreppe hoch, achtet darauf, nichts anzufassen. Sie will keine frischen Spuren hinterlassen. Nichts soll im Zweifelsfall auf sie deuten. In einem kleinen Zimmer oben ist eine Wand mit Filzstift bemalt. In dem Gekritzel entdeckt sie Fische. Blaue, grüne, gelbe Fische. Soll das Geschmiere drumherum Wasser sein? Hat hier ein Kind gelebt, das sich ein Aquarium gewünscht und einfach auf die Wand gemalt hat? Sie geht weiter, kommt am Bad vorbei. Vom Klo geht fieser Gestank aus. Sie lässt zwei weitere Türen zu, spart sich den Rest. Emilia fühlt sich plötzlich müde. Todmüde. Sie setzt sich auf die unterste Stufe der Treppe, lauscht ins Nichts. Auf ihrer Zunge schmeckt sie eine Mischung aus Angst und Aufregung.

Ein kaputtes Handy und ein Eimer
    G anz langsam faltet Emilia den Zettel auseinander. Charlotta sitzt neben ihr und schaut ihr gebannt zu. Sie hatten sich für elf Uhr am Baggersee verabredet und waren beide schon um halb elf da gewesen.
    Charlotta versucht, ihre Enttäuschung zu verbergen. Sie liest UNSER HAUS, KEINEN BRIEF und KAPUTTES RAD . Dann liest sie es noch einmal. Schließlich guckt sie Emilia leicht von der Seite an. »Tja, du bist auch in deinen Referaten nicht gerade für Ausschweifungen bekannt.«
    Â»Das sind die Eckpfeiler. Ich erzähle dir jetzt genau, wie wir das machen«, beruhigt Emilia sie.
    Â»Also: Ich sperre dich im Keller von unserem verlassenen Haus ein. Du bekommst Wasser und vielleicht noch ein paar alte Zeitungen. Fesseln muss ich dich nicht, weil du da nie im Leben alleine rauskommst. Deine Eltern merken irgendwann, dass du nicht nach Hause kommst, und machen sich Sorgen. Sie werden denken, du wärst aus Trotz abgehauen, weil du nicht in dieses blöde Internat willst. Sie werden wütend sein und irgendwann die Polizei anrufen. Die werden behaupten, dass pubertierende Mädchen in unserem Alter gerne mal abhauen. Und dann wird dein Fahrrad irgendwo gefunden. Am besten ein bisschen kaputt.«
    Emilia macht eine Pause, guckt konzentriert auf das glitzernde Wasser. »Ich habe noch eine bessere Idee. Auch dein Handy wird gefunden. Ganz kaputt. Mit einem Stein zerstört.«
    Â»Bist du wahnsinnig? Das habe ich noch keine drei Monate«, protestiert Charlotta.
    Â»Okay. Dann behalt dein hübsches kleines iPhone. Damit kannst du mich ja dann aus Frankreich anrufen, wenn du mal Zeit hast.« Emilia zuckt die Schultern.
    Die wortlose Pause ist kurz.
    Â»Du hast ja recht.« Charlotta gibt sich geschlagen und lässt sich nach hinten fallen. »Wie geht es weiter?«
    Â»Das war es eigentlich schon. Deine Eltern werden Angst haben. Sie werden viel an dich denken, dich wie verrückt vermissen. Sie werden fürchten, dass dir was zugestoßen ist, dass du entführt wurdest eben. Sie werden sich alte Fotos mit dir ansehen und dir jeden Wunsch erfüllen, wenn du wieder da bist. Ich werde sie genau
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher