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Böse Schafe: Roman (German Edition)

Böse Schafe: Roman (German Edition)

Titel: Böse Schafe: Roman (German Edition)
Autoren: Katja Lange-Müller
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nehmen konnte, legtest du das, was du hinter deinem Rücken versteckt und dann neben deinem Stuhl geparkt hattest, zu der Rose, die ich in ein Glas Wasser und an die Wand gestellt hatte. »Mach auf«, sagtest du strahlend; auch Benno versuchte ein Backgroundlächeln.
    Ich hob den Deckel von dem violetten, ein wenig lädierten Karton und erblickte eine in Holzwolle gebettete, atemberaubend scheußliche Pierrot-, Harlekin- oderWeißclownpuppe mit blauem Kegelhütchen, grüner Halskrause, Stupsnäschen, herzförmiger Schnute und schwarzer Träne unter dem einen ihrer dämlich glotzenden Glasaugen.
    Für den Moment, womöglich gar minutenlang, war ich so verblüfft, daß ich die Kontrolle über meine Mimik verlor; das jedenfalls signalisierte mir der Anflug von Enttäuschung, der auf euren Gesichtern lag, als ich endlich wieder hochschauen konnte – zu Benno – und dann zu dir. Danke, sagte ich fast tonlos.
    Du erwidertest nichts; aber Benno begann, als sei er Meister im Überspielen heikler Situationen, davon zu plappern, wie du diese »wertvolle Künstlerpuppe, eine einmalige Handarbeit«, all den kleineren, weniger schönen vorgezogen und »keine müde Mark« gescheut hättest, weil du der Meinung gewesen wärst, die und keine andere passe zu mir.
    Das nun brachte mich gleich noch einmal aus der Fassung, jedoch nicht in dem Sinne, daß mich Zweifel allein an dir befallen hätten. Nein, ich fragte mich, was an meiner Erscheinung so zu deuten sei, daß es dir möglich war, zwischen diesem kitschigen Monstrum und mir irgendeine Verbindung herzustellen oder gar Ähnlichkeit zu entdecken.
    Ich entschuldigte mich, ging zur Toilette, betrachtete die im Spiegel über dem Waschbecken sichtbaren Teile meiner Person: die dilettantische Hochfrisur, die ich jetzt nicht einmal mehr mit einem zerrissenen Polster, einem Vogelnest oder einem Insektenbau vergleichen wollte, meinen kleinen roten Mund und meine schwarz umrandeten Augen. Tatsächlich, sagte ich zu der Erscheinung,die mich darstellte, wenn du dir jetzt noch eine Träne erlaubst, kannst du dich auch in die Holzwolle hauen.
    Ich weiß nicht, Harry, ob eine andere als ich zu euch zurückgekommen wäre, wenn sie ihre Handtasche dabei- und das Klofenster keine Gitter gehabt hätte.
    Daß ich es fertiggebracht hatte, meine Tasche stehenzulassen – und dann noch bei fremden, wenig Vertrauen erweckenden Männern, signalisierte mir nichts Gutes. Jäh überrollt von einer Panikwelle, die mich nur aus einem Grund nicht umwarf, nämlich dem, daß ich mein Geld seit dem Portemonnaieverlust tagsüber im BH aufbewahrte, unterdrückte ich jenes Bedürfnis, das mich diesen Ort hatte aufsuchen lassen, und ebenso das kaum geringere, mit dem letzten bräunlich aus dem Spender lugenden Papierhandtuch verbessernd an mir herumzuwischen.
    Glücklicherweise fand ich euch dort wieder, wo ihr sein solltet, in der hinteren Ecke des Cafés, und war zumindest die Sorge um meine Tasche los. Du schautest mich nicht an, als ich mich seufzend auf den Stuhl plumpsen ließ, der jetzt zwischen euch frei war und nicht identisch mit jenem, den ich vor wenigen Minuten verlassen hatte. Ihr wirktet verstimmt, ja richtig sauer. Ich fragte mich, ob die Ursache dafür noch immer meine mäßige Freude über dein Geschenk sein konnte und ihr euch womöglich deswegen gestritten hattet, oder ob euch etwas ganz anderes die Gesichter entstellte, etwas, wovon ich nun gar keine Ahnung hatte.
    Ich griff nach der Puppe, sagte schrill: schönes Ding – und erschrak über meine falsche Stimme.
    »Nun nimm sie schon in den Arm«, setzte Benno nachund klang dabei nicht minder verlogen und vollends onkelhaft, als hätte ich diese fiese Puppe mit einem von ihm spendierten Los auf dem Rummel gewonnen, fügte er hinzu: »Die kann dir keiner mehr wegnehmen.«
    »Jetzt reißt euch mal bloß nicht das Futter aus der Jacke«, das waren die Worte, mit denen du unserem Laienspiel ein Ende machtest. Und obgleich du zu grinsen versuchtest, verriet dein sowohl Benno als auch mir ausweichender Blick, daß ich dir gründlich die Laune verdorben hatte. Nicht nur dir; die Stimmung war hin. Wir schwiegen wie die Steine; Kakao hatten wir auch keinen mehr.
    Nie wieder seither hätte ich so leicht, so souverän, ja elegant die Kurve nehmen, mich für immer rausziehen können aus jedweder Art von Verkehr mit dir; ich hätte nur meine Tasche, die mickrige Rose, den peinlichen Clown greifen, etwas Geld zwischen die leeren Tassen legen und war nett zu
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