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Böse Schafe: Roman (German Edition)

Böse Schafe: Roman (German Edition)

Titel: Böse Schafe: Roman (German Edition)
Autoren: Katja Lange-Müller
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Fünfhundertmarkschein, junkiespezifisch gefaltet, einmal quer, zweimal längs. Ich schaute auf den rotbraunen Schein, streichelte den Löwenzahn und die eines seiner Blätter fressende, wunderschöne Raupe des Grauen Streckfußfalters, dann das sanft lächelnde Gesicht der Maria Sibylla Merian und dachte daran, wie du einmal gesagt hattest, die Fünfhunderter seien dir die liebsten, nur für sie empfändest du »fast was Erotisches«. Ich weinte, schon die ganze Zeit, aber nun erst recht, und versunken in den Anblick der feenhaft zarten Wespe neben dem Porträt der Künstlerin, fragte ich mich, ob sie vielleicht ein Zeichen sei, und wenn ja, wofür.

    Nichts Gravierendes ist mehr geschehen; mein Leben geht einfach weiter. Ich erledige, sowie sich eine Gelegenheit bietet, diesen oder jenen Job, koche mir abends eine Suppe und trinke eine Flasche Wein. Der Lottogewinn ist verbraucht, deine Soja auch. Ich habe es noch mit drei, vier Männern versucht und ihnen nicht nachgetrauert, als sie mich verließen, weil ich, wie der letzte sagte, »immer so abwesend und abweisend« sei. Mittlerweile beziehe ich Sozialhilfe und Wohngeld und mache keine Diäten mehr. Ich war dabei, mich aufzugeben, bis ich dein Heft las und entdeckte, daß ich ja mit dir reden, dir sogar schreiben kann. Vielleicht nehme ich irgendwann einmal deinen Fünfhunderter und finde heraus, was nun eigentlich dran ist an dem Zeug, das uns getrennt hatte, schon ehe der Tod es tat, und vor dem du mich bewahrt hattest wie vor der Infektion. Ich habe manches probiert, aber Dope noch nie. Und wenn ich, morgen oder übermorgen, erfahren sollte, daß ich Krebs hätte, nicht zu retten wäre, würde dein Schein wohl reichen für einen grandiosen Abschied. Bis dahin gucke ich unseren Film: Wir liegen auf den Matratzen, Kopf an Kopf, bewegen uns kaum, atmen flach. Deine Augen sind geschlossen, meine schauen hoch zum offenen Fenster … Wir haben einander und Zeit; nichts sonst, doch davon ganz viel, obwohl es scheint, als existiere sie gar nicht mehr.

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Das Buch
    »Wie ich vor vielen Jahren war: jünger, schöner und meistens neben dir.«
    Westberlin im Jahr 1987: Soja, gelernte Setzerin, Republikflüchtling, Aushilfsblumenhändlerin mit weitem Herzen, trifft Harry, groß, frei, still-entschlossen, abgründige Vergangenheit, düstere Zukunft. Und fortan bestimmt sein Schicksal ihr Leben.
    Geblieben ist ein Schulheft mit undatierten Einträgen, genau neunundachtzig Sätze, in denen Harry festhielt, was ihn beschäftigte, während er mit Soja zusammen war. Vieles kommt vor, eine fehlt: Soja. Jahre später macht sie sich daran, die gemeinsame Geschichte zu erzählen und die Leerstelle zu füllen, die Harry hinterließ. Sie erinnert sich an den Mann, der sie durch seine Entschiedenheit beeindruckt, gleich anfangs mit einem Geschenk verstört und ihr Herz mit einem Kinderkuss erobert hat – und um den sie sich leidenschaftlich und wider alle Vernunft bemüht.
    Obwohl er sich in jeder Hinsicht bedeckt hält, gibt Harry einiges preis: nach einem Raubüberfall zehn Jahre im Knast, auf Bewährung draußen, Bewährungsauflagen verletzt, weil Drogentherapie abgebrochen, angewiesen auf neue Maßnahme, sonst umgehende Inhaftierung. Und das bringt Soja nicht gegen ihn auf, sondern auf Trab. Sie organisiert eine neue Therapie, verpflichtet ihre wenigen Freunde zu einer lückenlosen Begleitung und ignoriert doch alle Indizien dafür, dass Harry ihr manches verschwiegen hat. Und tatsächlich dauert es nicht lange, bis die nächste Bombe platzt.
    Katja Lange-Müller, vielfach ausgezeichnete Meisterin der Erzählung, greift dem Leser mit diesem lange erwarteten Roman ans Herz: Einfühlsam, komisch und in einer melancholischen Tonlage erzählt sie davon, wie eine unglückliche Liebesgeschichte das größte Glück im Leben sein kann und liefert fast nebenbei ein atmosphärisch dichtes Porträt des geteilten, stillstehenden Berlins der 80er-Jahre.

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Die Autorin
    Katja Lange-Müller , geboren 1951 in Berlin-Lichtenberg. Neun Jahre Schule an der 19. Oberschule Berlin-Friedrichshain. Relegation wegen »unsozialistischen Verhaltens«,  Zehn-Klassen-Abschluß an der Oberschule Schwedter Straße, Berlin-Mitte. Anschließend Schriftsetzerlehre an der BBS »Rudi Arndt«. Vier Jahre Arbeit in der Druckerei und Bild-Redaktion der Berliner Zeitung . Anschließend sechs Jahre pflegerische Hilfskraft auf geschlossenen psychiatrischen Frauenstationen in der Berliner Charité und im
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