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Boese - Horror

Boese - Horror

Titel: Boese - Horror
Autoren: Bentley Little
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als wartete die ganze Welt auf seine Entscheidung.
    »Helfen Sie mir«, flehte Giselle. Ihre Stimme war schwächer als ihr Stöhnen.
    »Die Kleine wird sterben, wenn Sie nichts für sie tun«, flüsterte der Postbote.
    Doug brauchte Zeit, um die Situation zu analysieren und das Problem zu lösen.
    Aber er hatte keine Zeit.
    »Mister Albin ...«, flüsterte der Postbote.
    »Hilfe«, flehte Giselle.
    Doug schloss die Augen. Alles in ihm, sein Herz, seine Seele, sagten ihm unaufhörlich, dass er sich in Gang setzen und Giselle ins Krankenhaus bringen musste. Doch eine eisige Entschlossenheit hielt ihn vom Handeln ab. Wenn er Giselle half, wäre alles verloren. Der Postbote war offensichtlich dem Tod nahe. Dies war lediglich ein letztes Aufbäumen, sein allerletzter Versuch, das Blatt zu wenden. Wenn Doug diese »Post« annahm, verlieh sie dem Postboten vielleicht genug Energie, um angreifen zu können. Wenn die Energie der Post proportional zu ihrem Gewicht oder Wert war, entsprach Giselle Hunderten von Schecks und Briefen.
    »Helfen Sie mir ...«
    Doug konnte sie nicht sterben lassen, konnte ihren Tod nicht verantworten. Das würde bedeuten, alle Anstrengungen zunichte zu machen, die er und die anderen in der Stadt unternommen hatten. Es konnte sogar bedeuten, dass der Postbote seine volle Macht zurückbekam und wieder zu töten begann. Doch Doug konnte nicht tatenlos dastehen und zusehen, wie Giselle starb. Er musste sie ins Krankenhaus bringen. Indem er sich weigerte, sie zum Tode zu verurteilen, verurteilte er vielleicht andere zum Tod. Aber dieses Risiko musste er eingehen.
    Er trat einen Schritt vor. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der skelettartige Arm des Postboten ein Muster in die Luft malte. Doug blieb stehen und drehte sich um.
    Eine Träne lief über Giselles Wange, wurde vom Papier abgelenkt und in immer kleinere Rinnsale geteilt. »Mister Albin ...«
    Die Lippen des Postboten bewegten sich stumm. Seine Augen waren geschlossen.
    »Lassen Sie mich nicht sterben«, flehte Giselle.
    Ihre Stimme klang anders als sonst, bemerkte Doug, rhythmischer, weniger natürlich, und in ihren Worten lag etwas, das gestelzt und förmlich erschien und nicht echt klang. Doug blickte von Giselle zum Postboten und wieder zurück.
    Der Kopf des Postboten drehte sich nach rechts.
    Giselles Kopf drehte sich nach rechts.
    Doug stand regungslos da und wusste nicht, was er tun sollte.
    »Sie sind der Einzige, der wo mich retten kann.«
    Doug versteifte sich. »Der Einzige, der wo mich retten kann.«
    Der wo.
    Giselle hätte »der« gesagt.
    Sie war bereits tot. Sie war bereits tot gewesen, ehe er durch die Tür gekommen war. Doug blickte der jungen Frau aufmerksam ins Gesicht und erkannte den leicht glasigen Schimmer ihrer Augen, die leicht durchscheinende Dickflüssigkeit der Träne, die über ihre zerschnittene Wange gelaufen war. Giselle war irgendwann gestorben, vielleicht heute, vielleicht gestern, vielleicht am Tag davor, und der Postbote hatte sie hierbehalten, um sie als Köder zu benutzen. Er wusste, dass Doug schließlich kommen würde, und er wusste, dass Doug nicht fähig sein würde, die junge Frau sterben zu lassen. Der Postbote hatte sie benutzt, indem er den toten Körper mit aller Kraft, die ihm verblieben war, bewegt und zum Sprechen gebracht hatte.
    »Netter Versuch«, sagte Doug.
    Der Postbote öffnete die Augen und starrte ihn wütend an. Diesmal sah Doug nicht weg. Sein Blick blieb hart, ruhig, unerschütterlich. Der Blick des Postboten war ebenso standhaft, doch seine Kraft war nicht von langer Dauer und wurde nur mit größter Mühe aufgebracht. Dahinter lauerte die Niederlage, und hinter der Aggressivität schlummerten die Angst und die Erkenntnis, dass er sich verrechnet hatte.
    Er hatte verloren, und er wusste es. Und er wusste auch, dass Doug es wusste.
    »Du bist erledigt«, sagte Doug.
    Der Postbote zischte. Hinter ihnen sank Giselles Leiche auf den Boden. Das Papier knisterte laut, als überall im Raum Briefe, Umschläge, Rechnungen vom Boden emporwirbelten, als wären sie von einem Staubteufel in der Wüste erfasst worden. Beinahe rechnete Doug damit, dass die Post ihn attackierte, dass sie ihm ins Gesicht fliegen würde, doch die Briefe kreisten harmlos in der Luft und stiegen in die Höhe.
    Der Postbote hatte nicht einmal mehr genug Kraft, um ein paar Umschläge zu kontrollieren.
    »Es ist vorbei«, sagte Doug.
    Die Tür flog auf, und Mike, Tegarden und die anderen stürmten herein. »Wir konnten
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