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Bluttaufe - Vampirlegende

Bluttaufe - Vampirlegende

Titel: Bluttaufe - Vampirlegende
Autoren: Manfred Weinland
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verborgene Himmelsauge zum Kampf herausfordern, sondern das Schicksal überhaupt.
    Der Hohe Geist beruhigte sie mit den Worten: »Ich bin froh, dass du ihn verschont hast. Du hast die Zeichen erkannt. Es ist lohnenswerter, ihn zu formen, umzugestalten, als puren Heißhunger an ihm zu stillen. Wir werden ein anderes Opfer für dich finden. Sieh dich um. Es gibt sie in Hülle und Fülle... Aber jetzt sollten wir die Chance nicht ungenutzt verstreichen lassen.«
    »Chance?« fragte Makootemane, während die Wilde Frau schwieg, als verstünde sie die Absicht des Hohen Geists – oder als wäre es ihr inzwischen gleichgültig geworden, was aus dem Knaben am Boden wurde.
    »Chance, ja«, antwortete der Hohe Geist. »Vorhin hielt der Kelch Zwiesprache mit mir. Aber verlieren wir keine Zeit mehr! Spende noch einmal von deinem Blut, auf dass dieser Jüngling deine Sippe bereichere...«
    Wie schon einmal spürte Makootemane einen kurzen, heißen Schmerz, den ihm eine unsichtbare Klinge am linken Unterarm zufügte.
    Dann lief auch schon das Blut, und der Hohe Geist eilte herbei und fing es in der purpurglühenden Kelchschale auf.
    Es war mehr als genug für einen einzigen Täufling.
    Und noch während Makootemane zusah, wie der Hohe Geist das Gefäß an Wyandos Lippen setzte, fing er einen gellenden Schrei aus der Kehle seines Adlers auf.
    Der Ahnenvogel, den Makootemane eigenhändig aufgezogen hatte, kauerte auf einem der hölzernen Totems, die die Dorfmitte umsäumten.
    Und plötzlich, aus dem Nichts, entstand in Makootemane eine Idee, die ihn zuallererst erschreckte, dann jedoch immer mehr Faszination in ihm entfachte – und ihn schließlich völlig aufwühlte.
    Es war ein absolut bizarrer Einfall, aber er ließ Makootemane nicht mehr ruhen, und selbst die für einen solchen Frevel drohende Strafe vermochte ihn davon abzubringen.
    Nur scheinbar ergriffen von dem Akt der Taufe, der Wyando zu einem der seinen machte, gab er dem auf dem Totempfahl sitzenden Vogel ein geheimes Zeichen. Und der Adler folgte augenblicklich seinem Befehl...
     
     
    Bereits sterbend, starrte Wyando zur Fratze des Mondes hinauf, der sich in einer Weise verhüllte, wie es der junge Arapaho noch nie zuvor beobachtet hatte.
    Ein Mond, der ihn höhnisch angrinste. Wie die Fratzen von Makootemane, der Wolfsfrau und des bleichen Mannes, der ihm jenes zähe, schwere Gift einflößte, das augenblicklich in seinem Mund, unerträglicher aber noch in seinem Magen und Gedärm zu wüten begann. Schrecklicher konnte es nicht sein, wenn sich eine Ratte allmählich in jeden Winkel ihres Opfers fraß...
    Neue Schwärze wogte vor Wyandos Augen, nachdem die Wolfsfrau ihn draußen im Wald durch einen Hieb gegen die Schläfe bewusstlos geschlagen und offenbar ins Lager zurückgeschleppt hatte.
    Er war kaum wieder bei sich gewesen, als die leuchtende Schale auch schon begonnen hatte, ihren Inhalt in seine Kehle zu entleeren.
    In den letzten Augenblicken seines Lebens erkannte Wyando, dass ihn die anderen Kinder des Stammes umstanden, als wollten sie ihm Beistand leisten. Doch ihre harten Gesichter blickten nur kalt auf ihn herab. Sie waren bereits den Weg gegangen, den nun er beschreiten musste.
    Wyando hatte versucht, sich dem Gift zu verweigern – hatte versucht, sich zu wehren.
    Vergeblich. Dem Bleichen hatte eine Hand genügt, ihn zu bändigen.
    Und der allerletzte Eindruck, den Wyando mit in die lichtlose Tiefe des Todes nahm, war der Tumult, der losbrach, als ein Adler aus der Luft zu ihnen herabstieß.
    Genau auf Wyando zu.
    Als wollte er seine Klauen in ihn schlagen – und tun, womit die Wolfsfrau nur gedroht hatte.
    Heiß und roh sein Herz verzehren...
     
     
    Makootemane nutzte den von ihm provozierten Tumult, von dem sich auch der Hohe Geist ablenken ließ, weil er unmittelbar betroffen war.
    In dem Moment, als der Hohe Geist von einem Schwingenschlag des Adlers getroffen wurde, entglitt ihm das unersetzliche Gefäß und fiel zu Boden.
    Makootemane eilte sofort hinzu, hob es auf und verscheuchte den von ihm gezähmten Vogel mit lautstarken Befehlen. Niemand bemerkte, dass er etwas von seinem während des Rituals verwandelten Blut aus der Kelchschale an sich nahm – gerade so viel, wie das kleine Tuch aufnehmen konnte, das er in seiner Hand verbarg.
    Der Zorn des Hohen Geists über den Zwischenfall war so groß, dass er damit drohte, den Adler augenblicklich zu strafen und vom Himmel zu holen. Nur Makootemane sofortige Fürsprache verhinderte es – und
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