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Blutstern

Blutstern

Titel: Blutstern
Autoren: Dieter Woelm
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die hintere Klappe des Leichenwagens, zogen einen Sarg ein Stück weit heraus, sahen sich prüfend auf dem Parkplatz um, hoben ihn hoch und ließen ihn in den Sarg gleiten. Er tobte zwar und wand sich in seinen Fesseln, aber es half ihm nicht. Kurz darauf hatten sie den Deckel auf den Sarg gelegt und begannen, die Schrauben anzuziehen.
    Es war das Schlimmste, was er bisher erlebt hatte: Dieses Gefühl der Beklemmung, dieses Gefühl, in einem Sarg zu liegen und keine Luft mehr zu bekommen, dieses Gefühl, irgendwelchen Verbrechern völlig hilflos ausgeliefert zu sein. Er versuchte ruhiger zu werden, atmete ganz leise, wollte Luft sparen, merkte, dass das Auto anfuhr, vom Parkplatz rollte und rechts abbog, Richtung Zentrum.
    Wo sie mich wohl hinbringen?, fragte er sich.
    Obwohl der Sarg mit Stoff ausgeschlagen war, lag er sehr hart. Für Lebende zu unbequem, dachte er. Wie lang er noch leben durfte? Was sie mit ihm vorhatten? Sie konnten jetzt mit ihm machen, was sie wollten. Auf die Idee, einen Leichenwagen zu kontrollieren, kam sicher niemand. ›Dürfen wir mal bitte in den Sarg schauen?‹ Auf die Idee würde kein Polizist kommen. Also konnten sie ihn bringen, wohin sie wollten. Keiner würde Verdacht schöpfen. Und Sabine, seine Freundin, war es gewohnt, dass er abends spät nach Hause kam. Sie würde so schnell nicht unruhig werden. Das Handy hatten sie ihm abgenommen, bevor sie ihn in den Sarg gehoben hatten, das waren offensichtlich Profis, mit denen nicht zu spaßen war. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als ruhig liegen zu bleiben und zu warten, was als Nächstes passierte.
    Irgendwann fuhr der Wagen langsamer. Er hörte ein automatisches Garagentor, merkte, wie sie nach unten in eine Tiefgarage fuhren und endgültig hielten. Endstation, dachte er.
    Vielleicht waren sie zum Krematorium beim Waldfriedhof gefahren und würden ihn dort bei lebendigem Leibe verbrennen. Die seltsamsten Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Er hörte, dass sie die hintere Klappe des Leichenwagens öffneten, spürte, dass sie den Sarg ein Stück weit aus dem Auto zogen, vernahm das Geräusch der sich drehenden Schrauben. Im nächsten Augenblick wurde der Deckel vom Sarg genommen und das Neonlicht der Garage traf ihn wie eine Keule.
    Â»Los, schnell jetzt«, hörte er einen der Männer mit den schwarzen Kapuzen sagen. Sie packten ihn und hoben ihn aus dem Sarg. Auf seinen gefesselten Beinen konnte er sich kaum halten.
    Â»Schnell, in den Ausstellungsraum, dort wartet sie«, sagte der größere der beiden Männer.
    Sie zerrten ihn zu einer dieser grauen Metalltüren, die für solche Tiefgaragen typisch sind. Dahinter lag ein langer Gang, der zu einem Ausstellungsraum führte. Sie mussten ihn in den Keller eines Bestattungsinstituts transportiert haben, jedenfalls standen reihenweise Särge in verschiedensten Ausführungen an den Wänden aufgereiht. Im Vorbeigehen sah er die Preise. Bis zu 20.000 Euro konnte man hier für einen Sarg ausgeben. In der Mitte des Raumes, zwischen all den Särgen, stand ein Tisch, eher eine Bahre, auf der vielleicht die Toten für die Bestattung vorbereitet wurden.
    Â»Da seid ihr ja endlich«, sagte eine Frau, die neben der Bahre wartete. Ihr Alter war schwer zu schätzen. Sie mochte um die vierzig sein, hatte rotblonde Haare, ihre Haut war hell und glatt. Kalte graue Augen sahen ihn durch eine dunkle Maske an und es lief ihm eiskalt den Rücken herunter.
    Â»Bindet ihn auf den Tisch«, sagte sie.
    Ihre Stimme klang unerbittlich, als sei sie es gewohnt, Befehle zu erteilen. Ihr dunkles, eng geschnittenes Kostüm endete in einem Stehkragen, ihre schlanken Beine steckten in Lackstiefeln.
    Â»Na los, nun macht schon, wir haben nicht unendlich Zeit«, trieb sie die beiden Männer mit ihren Kapuzen an.
    Der Ausstellungsraum wurde allein durch Kerzen beleuchtet. Zwei standen neben der Bahre, dicke Kerzen auf hohen Ständern, so wie er sie als Altarkerzen aus der Kirche kannte.
    Er versuchte zu schreien, allerdings ohne Erfolg. Durch den Knebel, der noch in seinem Mund steckte, drang nur ein gurgelndes Röcheln nach außen. Die beiden Männer waren rücksichtslos, brutal, achteten nicht darauf, ob sie ihm weh taten. Schuhe aus, Socken aus, an Armen und Beinen noch gefesselt, schnallten sie ihn mit zwei Ledergurten auf die Bahre. Ihm war kalt. Er merkte, dass sich eine Gänsehaut an seinen
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