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Blutstern

Blutstern

Titel: Blutstern
Autoren: Dieter Woelm
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niemand wissen?«, fragte Rotfux.
    Â»Das ist eine längere Geschichte. Sabine hatte damals einen Freund, den ihre Eltern sehr schätzten: Alexander Leitner. Sie kennen vielleicht die Firma Leitner-Moden … «
    Â»Klar, kennt doch jeder in Aschaffenburg«, brummte Rotfux.
    Â»Alexander ist der Sohn der Inhaberfamilie. Das hätte natürlich gut gepasst mit Sabine und Alexander. Ihre Eltern waren begeistert davon, doch zum Glück hat sie sich in mich verliebt. Den Rest können Sie sich denken: Sabine hatte Angst, es ihren Eltern zu sagen. Da haben wir unsere Liebe zuerst geheim gehalten, bis ich mein Examen hatte und in der Firma beschäftigt war. Habe mich ganz normal beworben und hatte Glück.«
    Â»Und Sabines Eltern wissen immer noch nichts?«
    Â»Doch, doch, inzwischen hat sie es ihnen gesagt. Waren natürlich nicht begeistert, aber sie lassen uns wenigstens in Ruhe.«
    Â»Wissen Sie, wo Ihre Mutter den Silvesterabend verbracht hat?«, kam der Kommissar wieder zum eigentlichen Thema zurück.
    Â»Nein, keine Ahnung. Ich kann mir das Ganze nicht erklären. Ich dachte, sie wäre zu Hause, so wie in den letzten Jahren, und würde fernsehen. Um Mitternacht habe ich sie angerufen, bin ewig nicht durchgekommen, das Netz war total überlastet.«
    Â»Und dann haben Sie aufgegeben?«
    Â»Ja. Ich war mit Sabine im V3. Musik, Stimmung, total voll – ich weiß nicht, ob Sie sich das vorstellen können … irgendwann habe ich es aufgegeben und mir vorgenommen, sie am Neujahrstag anzurufen.«
    Â»Können wir Ihren Vater benachrichtigen? Gibt es sonst Verwandtschaft?«
    Â»Ich habe keinen Vater«, antwortete Thomas Drucker sehr leise und irgendwie traurig.
    Â»Na, Sie werden sicher einen Vater haben«, lachte Rotfux, dann merkte er, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er schob schnell hinterher: »Sie meinen bestimmt, dass Sie ihren Vater nicht kennen.«
    Â»Ja, er hat sich aus dem Staub gemacht. Jedenfalls hat mir Mutter nie etwas Konkretes über ihn gesagt. Und jetzt ist sie tot, mein Gott, jetzt kann sie nichts mehr sagen … «
    Thomas Drucker wurde von einem Weinkrampf überwältigt und lag heulend im Bett.
    Â»Können Sie sich einen Grund für den Mord denken? Hatte Ihre Mutter Feinde, gibt es etwas zu erben, haben Sie sonst eine Idee?«
    Â»Keine Ahnung«, schluchzte Thomas Drucker. »Wir waren arm, sie musste sich mit mir durchschlagen, hat Gelegenheitsjobs angenommen, viele Jahre bei der Caritas gearbeitet, in der Altenpflege, wirklich … keine Ahnung.«
    Â»Am Tatort haben wir sechs tote schwarze Katzen gefunden, Ihre Mutter war auf ein Holzkreuz gebunden. Können Sie sich darauf einen Reim machen? Verkehrte Ihre Mutter in mystischen Zirkeln, war sie irgendwie seltsam in letzter Zeit?«
    Thomas Drucker wurde durch einen erneuten Weinkrampf geschüttelt. Er schien nicht mehr in der Lage zu sein, überhaupt noch zu antworten.
    Rotfux bereute es, dass er diese scheußlichen Details angesprochen hatte. Er erhob sich und gab dem jungen Mann die Hand. »Tut mir schrecklich leid für Sie, Herr Drucker«, sagte er. »Nun ruhen Sie sich erst mal aus. Hier, mein Kärtchen, falls Ihnen noch etwas einfällt. Wenn Sie wieder auf den Beinen sind, können wir ja nochmals sprechen.«

2
    Â 
    Der weiße Sarg stand in der Aussegnungshalle auf dem Aschaffenburger Altstadtfriedhof, genau inmitten des Kreises, der dort auf dem hellen Boden um das Symbol des Kreuzes gezogen war. Thomas Drucker hatte es so gewollt. Weiß sollte der Sarg seiner Mutter sein, weiß wie die Unschuld, als Gegensatz zu dem grausamen Mord, dem sie zum Opfer gefallen war. Über dem Sarg wölbte sich ein Bukett aus roten Rosen, das ihn fast ganz bedeckte. Zwei dicke Kerzen brannten rechts und links zwischen den Grünpflanzen, die zur Dekoration aufgestellt waren.
    In der Nacht hatte es geschneit. Auf dem Dach der Aussegnungshalle lag eine zarte weiße Decke und auf dem kleinen Kreuz, welches ganz vorne auf dem Dachfirst thronte, türmte sich ein weißes Käppchen aus Schnee. Sabine wartete neben Thomas. Ihren blonden Pferdeschwanz hatte sie unter einer dicken schwarzen Wollmütze versteckt, ihr hübsches schmales Gesicht sah blass aus, ein auf Taille geschnittener Fellmantel betonte ihre schlanke Figur, ihre langen Beine steckten in schwarzen Lederstiefeln. Sie litt mit Thomas und drückte ihm
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