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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein
Autoren: Johan Theorin
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registriert, der außerhalb der Fensterscheibe gezeigt wurde. Eine
vertraute und doch so fremde Landschaft. Max war während der Bauphase im Herbst
und Winter hin und wieder auf der Insel gewesen, aber für sie war es seit
vielen Jahren das erste Mal.
    Wie viele Jahre war sie nun nicht mehr hier gewesen? Dreißig oder
fünfunddreißig?
    Während sie so dasaß und rechnete, spürte sie den harten Aufprall
gegen den Kühlergrill.
    »Verdammte Scheiße!«, schrie Max.
    Vendela war sofort hellwach.
    Ein kurzes, klatschendes Geräusch war zu hören, dann war die
Windschutzscheibe in Rot getaucht.
    Das Auto fuhr nicht mehr geradeaus. Es schlingerte und schleuderte
hin und her, beschrieb Slalomkurven mit quietschenden Reifen – erst nach links,
direkt auf einen riesigen Laster zu, der ihnen wütend entgegenbrüllte, dann
plötzlich schlitterte es in eine breite Ausfahrt nach rechts. Dort stand eine
Tankstelle mit einem kleinen Kiosk auf einem verwaisten Parkplatz.
    Nein, nicht vollkommen verwaist. Ein einziger Wagen befand sich auf
dem Parkplatz, und sie sah auch schemenhaft Leute. Ein großer Mann, der über
den Asphalt rannte, und ein Junge auf einer Holzkiste.
    »Verdammt!«, schrie Max erneut.
    Vendela hörte ihren Hund Ally bellen. Sie öffnete den Mund, aber es
kam kein Ton heraus. Sie war nur ein Körper, eine Hülle, die den Bewegungen des
Autos folgte, ohne etwas anderes tun zu können.
    Max riss das Steuer herum. Es knallte, splitterndes Holz war zu
hören, dann endlich blieb der Wagen abrupt stehen. Vendela wurde nach vorne
geschleudert, aber der Gurt hielt sie.
    Der Motor blubberte noch ein paar Mal und erstarb dann.
    »Zum Teufel ...!«, stöhnte Max. Regungslos starrte er aus der
verschmierten Windschutzscheibe, seine Hände hielten noch immer mit weißen
Knöcheln das Lenkrad fest umklammert.
    Der Audi war frontal mit der Holzkiste mit Streusand kollidiert und
hatte sie zerstört.
    Der Junge, der auf der Kiste gesessen hatte, war nirgendwo zu sehen.
    Wo war er?
    Vendela löste ihren Sicherheitsgurt und beugte sich vor, drückte die
Stirn gegen die Scheibe. Sie sah eine kleine Hand, die rechts unter dem Wagen
hervorschaute.
    Der Junge schien neben der Kiste zu liegen, die Beine unter dem
Wagen. Der große Mann hatte ihn mit wenigen Schritten erreicht, stützte sich
mit der Hand auf der Motorhaube des Audis ab und beugte sich zu dem Jungen.
    Max fingerte mit der Hand am Türgriff und stieß die Fahrertür auf.
Dunkelrot im Gesicht stürzte er hinaus.
    »Fassen Sie meinen Wagen nicht an!«
    Das muss der Schock sein, sagte sich Vendela. Max stand unter Stress
und wusste nicht, was er tat. Mit erhobenen Händen sprang er auf den anderen
Mann zu.
    Zwei Sekunden später lag er wenige Meter vom Wagen entfernt mit dem
Gesicht auf dem Boden. Der Mann hatte ihn niedergestreckt und gepackt.
    »Beruhigen Sie sich«, zischte er mit zusammengebissenen Zähnen. Er
beugte sich über Max und hatte die Faust erhoben, offenbar bereit, Max auf den
Hinterkopf zu schlagen.
    Sein Herz .
Jetzt riss Vendela am Türgriff, stieg, so schnell sie konnte, aus und schrie
das Erste, was ihr in den Sinn kam, in den eisigen Wind:
    »Nicht! Er hat einen Herzfehler!«
    Der Mann sah zu ihr hoch, sein Gesicht war wutverzerrt. Aber
plötzlich erlosch der Zorn in seinem Blick. Er schnaufte, ließ die Schultern
hängen und beugte sich zu Max hinunter.
    »Haben Sie sich wieder unter Kontrolle?«, fragte er ihn mit leiser
Stimme.
    Max antwortete nicht. Er wehrte sich mit zusammengebissenen Zähnen
gegen den Griff, aber schließlich gab er auf und schien sich zu entspannen.
    »Ja, alles okay«, sagte er nur.
    Vendela war regungslos neben dem Wagen stehen geblieben. Sie sah,
wie der Mann Max losließ und sich aufrichtete. Vorsichtig hob er den Jungen an
und zog ihn vom Auto weg.
    »Geht es dir gut, Jesper?«
    Der Junge sagte etwas, aber er war zu leise, als dass Vendela ihn
hätte verstehen können. Doch, Gott sei Dank schien er unverletzt zu sein.
    »Kannst du deine Zehen bewegen?«, fragte der Mann.
    »Ja.«
    Der Junge rappelte sich langsam hoch und versuchte aufzustehen. Der
Mann half ihm dabei und führte ihn zu dem geparkten Wagen. Sie sahen sich nicht
um, und Vendela hatte das Gefühl, ausgeschlossen zu sein.
    Max stützte sich am Kühlergrill des Audis ab und kam langsam auf die
Füße. Er blinzelte ins Licht und sah Vendela am Wagen stehen.
    »Setz dich wieder rein«, befahl er. »Ich kümmere mich um das hier.«
    »Okay.«
    Vendela holte tief
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