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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein
Autoren: Johan Theorin
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Luft und setzte sich ins Auto. Sie beobachtete,
wie das Blut die Windschutzscheibe herunterlief, und fand eigentlich, dass es
ganz schön aussah. Nein, sie musste feststellen, dass es schön war . Das Blut war
von den Scheibenwischern verteilt worden und hatte schwingende Linien auf das
Glas gezeichnet. Es sah aus wie zwei Regenbogen in Hellrosa und Dunkelrot, die
im Sonnenlicht leuchteten.
    Eine leichte Brise ließ ein paar Vogelfedern hin und her tanzen und
auf der Scheibe festkleben. Hellgrau und braun waren sie.
    Vielleicht war ein Fasan gegen den Wagen geflogen oder eine Taube.
    Was es auch gewesen sein mochte, es war vollkommen unerwartet mit
flatternden Schwingen vor das Auto geflogen und bei der Kollision in Stücke
gerissen worden. Der Körper war gegen den Kühler geprallt, dann in einer
blutroten Explosion auf die Windschutzscheibe geschleudert worden und war
schließlich übers Dach geflogen. Das Tier hatte deutliche Spuren hinterlassen.
    Da ertönte ein leises Wimmern aus dem Fußraum vor ihrem Sitz.
    »Halt’s Maul, Ally!«, schrie Max.
    Vendela musste schlucken. Es war anstrengend genug, dass Max sie anschnauzte,
aber für sie war es schlimmer, wenn er den Hund anbrüllte.
    »Es ist alles in Ordnung, Aloysius«, sagte sie mit warmer, leiser
Stimme.
    Sie öffnete die Tür.
    »Max, geht es dir gut?«
    Er nickte.
    »Ich muss das nur sauber machen«, sagte er.
    Er war außer Atem und ganz rot im Gesicht, aber das lag bestimmt an
der Aufregung.
    Letzten Sommer, in Göteborg, hatte Max während eines Vortrags über
sein aktuelles Buch Maximales
Selbstvertrauen plötzlich Schmerzen in der Brust gespürt. Er
hatte abbrechen müssen, und Vendela hatte Panik in seiner Stimme gehört, als er
sie anrief. Mit dem Taxi war er sofort in die Notaufnahme gefahren worden,
hatte Sauerstoff bekommen und war gründlich untersucht worden.
    Ein leichter Herzinfarkt, lautete die Diagnose, mit Betonung auf leicht.
Es war keine Operation notwendig – nur ausgiebige Ruhe. Und Max hatte den
Herbst genutzt, um sich zu erholen, so gut es ging, wenn er nicht gerade die
Bauarbeiten auf Öland überwachte oder an seinem neuen Buchkonzept arbeitete. Es
würde ein ganz anderes Buch werde als die bisherigen, weniger Psychologie und
mehr über gesunden Lebenswandel und vernünftige Ernährung. Ein Kochbuch von Max
Larsson. Vendela hatte ihm ihre Unterstützung zugesagt.
    Im Handschuhfach lagen eine Packung Servietten und eine Flasche
Mineralwasser. Sie nahm ein paar Schlucke, ehe sie das Fenster
herunterkurbelte.
    »Hier, Max.«
    Er nahm ihr schweigend die Flasche aus der Hand, trank aber nicht,
sondern goss den Inhalt der Flasche über die Scheibe, damit sich Blut und
Federn lösten und in roten Bahnen hinunterliefen. Mit zusammengepressten Lippen
beugte er sich über die Motorhaube und wischte.
    Vendela wollte versuchen, den toten Vogel zu vergessen, und sah aus
dem sauberen Seitenfenster hinaus auf die Große Alvar. Eine flache Welt aus Gras,
Büschen und Steinen. Sie sehnte sich so sehr danach. Wenn sich Max nach diesem
Unfall wieder beruhigt haben würde, würde sie vielleicht schon heute Abend ihre
erste Runde drehen können.
    Vendelas Familie stammte von der Insel, sie war auf einem Bauernhof
außerhalb von Stenvik aufgewachsen. Das war auch der Grund, warum sie Max
überredet hatte, ausgerechnet dort ein freies Baugrundstück zu kaufen.
    Ihr Mann hatte zwar ausdrücklich und mehrfach angemerkt, dass er
eine Sommerresidenz in unmittelbarer Nähe zu Stockholm bevorzugen würde. Aber
als Vendela ihm die Lage von Stenvik an der Küste gezeigt und ihm die
Planungshoheit dafür übertragen hatte, welche Art Haus sie am Rand vom Steinbruch
bauen wollten, da hatte er eingelenkt und schließlich zugestimmt.
    Und nun hatten sie eine traumhafte Architektenvilla am Meer. Ein
Märchenschloss aus Stein und Glas.
    Aloysius drehte sich im Fußraum um die eigene Achse und versuchte,
mit seinem steifen Bein eine komfortable Liegeposition zu finden. Seine
Aufgeregtheit war irgendwie ansteckend und bereitete Vendela großes Unbehagen.
    »Leg dich hin, Ally ... wir fahren ja gleich weiter.«
    Der grauweiße Pudel hörte auf zu jaulen, wimmerte aber noch leise
und drückte sich gegen ihr Bein. Seine großen Augen starrten sie an, milchig und
undeutlich. Aloysius war dreizehn Jahre alt, mehr als hundert Hundejahre also.
Sein rechtes Vorderbein war steif, und sein Sehvermögen hatte sich in den
letzten Jahren erheblich verschlechtert. Ihr Tierarzt in
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