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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein
Autoren: Johan Theorin
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steif wurden und seine Beine nach wie vor zitterten.
    Er war noch zu weit vom Steinbruch entfernt, um über die Kante
schauen zu können. Stand der Wagen, den er vorhin gesehen hatte, dort unten? Er
hatte die Befürchtung, dass der Fahrer den Steinbruch als Ziel gehabt hatte, um
dort Per Mörner zu treffen.
    Aber was hatte Gerlof eigentlich für Möglichkeiten? Er würde seinen
Stock schwingen und versuchen können, dem Mann Angst einzujagen.
    Er hätte wohl eher die Polizei rufen sollen, statt selbst loszulaufen.
Aber mehr als eine böse Vorahnung und einen Verdacht hatte er ja auch nicht.
Auf dieser Grundlage würde die Polizei wohl kaum eine Streife nach Nordöland
ausrücken lassen.
    Jetzt passierte er das zweite Luxussommerhaus, das der Familie
Larsson, wo das Nachbarschaftsfest stattgefunden hatte. Dort waren alle Fenster
dunkel.
    Er blieb einen Augenblick vor Larssons Auffahrt stehen, um zu Atem
zu kommen, und sehnte sich nach seinem Rollstuhl. Noch dreihundert Meter bis zu
Pers Haus oder vielleicht doch eher vierhundert.
    Ein Schritt nach dem anderen.
    Kein Mensch weit und breit, aber Pers Saab stand in der Auffahrt. Er
war also entweder zu Hause oder auf einem Spaziergang.
    Eine solide Holzbank wäre jetzt genau das Richtige, aber hier war
noch nicht einmal ein großer Felsblock, auf dem er sich hätte ausruhen können.
Er musste weiter. Der Wind rauschte, oder hörte er noch ein anderes Geräusch –
war das ein Motor im Leerlauf?
    Als er nur noch zweihundert Meter von Pers Haus entfernt war,
versank die Sonne im Sund. Lautlos wurde die gelbrote Scheibe vom Horizont
verschluckt und hinterließ einen flammenden Himmel im Westen, der langsam
verglühte und dunkler wurde.
    Kaum war die Sonne verschwunden, kroch die Nacht über die Küste
herein. Ein schattenreiches Grau bedeckte den Steinbruch.
    Gerlof wollte sich beeilen, aber seine Kräfte verließen ihn. Nach
weiteren hundert Metern war er erneut gezwungen, anzuhalten und sich kurz auf
seinen Stock gestützt auszuruhen. Da hörte er ein dumpfes Donnern.
    Es kam vom Steinbruch, er kämpfte sich ein paar Schritte weiter und
sah eine Lichtsäule aufsteigen.
    Eine neue Sonne schien im Dunkeln dort unten, gleißend und viel
stärker als die natürliche, gleichzeitig rollte ein donnerndes Echo über die
Felskante. Es hatte unten im Steinbruch etwas wie eine Explosion gegeben.
    Er atmete die kalte Luft tief ein und lief, so schnell er konnte,
auf die Felskante zu. Da hörte er, wie ein Motor beschleunigte, dann vernahm er
Schreie und wenige Augenblicke später stieg ihm der scharfe Geruch von Benzin
in die Nase.
    70
    P er
blinzelte und wartete darauf, dass Thomas Fall das Streichholz warf. Er müsste
es nur mit Zeigefinger und Daumen schnippen, einen Schritt zur Seite treten und
könnte dann in aller Ruhe dem Schauspiel beiwohnen.
    Aber Fall war offensichtlich vorsichtiger. Er beugte sich vor und
hielt das Streichholz an die Benzinpfütze vor seinen Füßen.
    Per sah, wie das Feuer Nahrung bekam und größer wurde – aber dann
kam plötzlich ein Windstoß und blies es wieder aus. Eine kleine Glut hielt
sich, doch auch sie erstarb.
    Ich muss
aufstehen und weglaufen , sagte sich Per. Oder ihn angreifen und zu Boden werfen. Ich kann doch
ein bisschen Judo, ich müsste eigentlich in der Lage sein, ihn umzustoßen.
    Aber er konnte sich nicht bewegen, er war zu schwer verletzt. Er
hatte massive Verbrennungen am Arm, sein Körper war wie betäubt. Aber er spürte
keinen Schmerz, noch nicht einmal die gebrochenen Rippen taten ihm weh.
    Fall ließ sich von dem missglückten Versuch nicht irritieren, er
holte ein neues Streichholz aus der Schachtel. Nein, dieses Mal nahm er gleich
drei auf einmal und zündete sie an.
    Das zischende Geräusch war noch lauter als zuvor. Die Flamme war
dreimal heller und flackerte stärker. Der Wind würde dagegen nichts ausrichten
können.
    Per kniete auf dem Boden, sein Kopf pochte, und er dachte an Judo.
In dieser Position hatte er oft beim Training gesessen. Auf einer weichen Matte
kniend sollte er üben, sich zu entspannen und sich auf mögliche Bewegungen im
Raum zu konzentrieren. Gleichförmige Bewegungen – sich nach vorn zu werfen, zur
Seite zu rollen, nach hinten zu fallen.
    Nach hinten. Er könnte versuchen, sich nach hinten fallen zu lassen.
    Fall beugte sich hinunter, um die Streichhölzer an das Benzin zu
halten. In diesem Augenblick spannte Per seinen Körper an und warf sich in
einen Purzelbaum nach hinten. Er machte sich
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