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Blutstein

Blutstein

Titel: Blutstein
Autoren: Johan Theorin
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Knochen.
    Dann schlug er mit ausgestreckten Beinen auf dem Boden auf. Seinen
linken Fuß und den Rumpf traf es am schlimmsten, aber auch sein Kopf prallte
hart auf, und er verlor für Sekunden das Bewusstsein.
    Dann kam er wieder zu sich und rappelte sich mühsam auf die Knie. Er
spürte den kalten Wind, aber auch, wie etwas Warmes über sein Gesicht lief. Es
war Blut. Eine geplatzte Augenbraue oder eine gebrochene Nase.
    Das Auto setzte zurück, und Per hörte, wie die Autotür zugeschlagen
wurde. Dann näherten sich Schritte über den Kies. Thomas Fall kam auf ihn zu,
blieb vor ihm stehen und hob etwas in die Luft. Per hob den Kopf und sah den
Benzinkanister.
    Die große Überraschung
ist, dass es keine Überraschung gibt.
    Er konnte sich nicht bewegen. Er kniete mit mehreren gebrochenen
Rippen da und war von der milden Temperatur des Benzins überrascht, mit dem er
übergossen wurde. Im Vergleich zu der kalten Abendluft fühlte sich die
Flüssigkeit beinahe warm an, und es brannte, als sie ihm über die Haare und in
die Wunden im Gesicht lief.
    Der Benzinkanister über seinem Kopf gab rhythmische, gluckernde
Laute von sich. Dann hörte das Gluckern auf, und der leere Kanister wurde
weggeschleudert.
    Per kniete inmitten einer großen Pfütze und war vollkommen
durchnässt. Er war von dem harten Schlag auf den Kopf noch ganz benommen, und
die Benzindämpfe machten ihn schwindelig.
    Er stützte sich auf seine Arme und versuchte, sich aufzurichten. Aber
er hatte Schwierigkeiten, mehr als Umrisse zu erkennen. Thomas Fall war nur ein
dunkler Schatten gegen den dunkelroten Abendhimmel.
    Wie ein Troll, dachte Per. Sein Halbbruder sah aus wie ein Troll.
    »Walpurgisnacht!«, sagte Fall. »Heute Nacht brennen überall auf der
Insel Feuer!«
    Dann holte er etwas aus der Jackentasche, einen Gegenstand, der
leise rasselte. Es war eine Streichholzschachtel.
    Da fiel Per noch eine Sache ein, die er versuchen konnte – er konnte
um Gnade bitten. Von Bruder zu Bruder.
    Und auch für Nilla. Wie viele Stunden hatte er noch?
    »Ich werde schweigen«, flüsterte er.
    Sein Halbbruder antwortete nicht einmal. Er öffnete die Schachtel
und holte ein Streichholz heraus. Dann schob er die Schachtel wieder zu, nahm
das Streichholz zwischen die Finger und zündete es an.
    Es knisterte leise, und dann loderte eine helle, gelbe Flamme
unmittelbar vor Pers Augen auf. In der Dunkelheit des Steinbruchs war dieser
Lichtschein so stark, dass alles andere dahinter verschwand.
    Per schloss die Augen und wartete.
    69
    W ie
weit war es bis zu Per Mörners Haus am Steinbruch? Siebenhundertundfünfzig
Meter vielleicht oder achthundert? Gerlof erinnerte sich an das hübsche,
gepflegte Schild seines Freundes Ernst mit der Aufschrift STEINKUNST, 1 KILOMETER , das er am Wegrand aufgestellt
hatte. Aber ganz so weit war es nicht, das wusste er. Mit diesem Gedanken
sprach Gerlof sich Mut zu, nachdem er die Strecke über die Hauptstraße
unbeschadet geschafft hatte.
    Ganz so weit war es nicht.
    Gerlof kannte jeden Zentimeter des schmalen und unebenen Kiesweges,
den er unzählige Male zurückgelegt hatte, wenn er Ernst besuchte – aber es war
mittlerweile auch sechs oder sieben Jahre her, seit er diese Strecke das letzte
Mal gelaufen ist. Ja, damals war er noch frisch und quasi jung gewesen – kaum
älter als fünfundsiebzig oder so.
    Seine schmerzenden Beine und die steife Hüfte ließen nur kleine,
kurze Schritte zu, dadurch wirkte der Weg unendlich weit. Er beschrieb eine
sanfte Kurve am Steinbruch entlang, und dort hinten konnte er die Auffahrt von
Ernsts Haus sehen. Würde er das wirklich schaffen? Die ersten hundert Meter waren
überwunden, aber sein ganzer Körper tat weh, und die Beine zitterten. Der
einzige Trost war, dass er sich den Wintermantel übergezogen hatte, bevor er
aufgebrochen war. Er hatte ihn bis obenhin zugeknöpft, Rücken und Schultern
waren warm.
    Gerlof wusste nicht genau, wie spät es war, aber die Sonne stand
schon tief über dem Sund und würde bald ganz verschwunden sein. Der Wind hatte
zugenommen und brannte in seinen Augen. Er blinzelte, wischte die Tränen aus
den Augenwinkeln und kämpfte sich weiter.
    Wenige Minuten später hatte er die Luxusvilla der Kurdins passiert.
Er konnte niemanden sehen, aber in den hohen Fenstern brannte Licht. Er
überlegte kurz, ob er dort klingeln sollte, biss aber dann die Zähne zusammen
und arbeitete sich voran.
    Noch konnte er mithilfe seines Stockes das Gleichgewicht halten,
obwohl die Knie
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