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Blutskizzen

Titel: Blutskizzen
Autoren: Norbert Horst
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lugt am Handgelenk eine Tätowierung.
    »Guten Abend. Mein Name ist Kirchenberg, ich bin von der Mordkommission.«
    »Nabend«, deutlicher Akzent. »Ich bin Jonas Aleksa.«
    »Sie können Angaben zu dem Mord im Industriegebiet machen?«
    »Ja, vielleicht.« Er richtet sich auf, unsicheres Nicken. Möglich.
    »Das ist fast sechs Wochen her, warum kommen Sie jetzt, wenn ich fragen darf?«
    Er zieht einen gefalteten Zettel aus der Hemdtasche: »Habe ich heute gefunden in Autoverwertung.« Er legt ihn auf den Tresen, bügelt mit den Händen glatt. Das Flugblatt. »War seit 20. 10.«, er tippt auf das Datum, »nicht mehr hier. Bin sehr gut durchgekommen den Tag und war schon Mitternacht da. Wollte schlafen bis morgens. Musste aber pinkeln, da habe ich an Müllcontainer Auto gesehen.«
    »An dem Müllcontainer, in dem die Leiche gefunden wurde.«
    »Ja.« Versichernde Geste.
    »Woher wissen Sie, in welchem Container die Leiche war?«
    »Wusste ich damals nicht. Heiner von Autoverwertung hat mir heute gezeigt, weil, als ich Datum auf Zettel sah, hab ich gedacht, da warst du letzte Mal hier.«
    »Und was haben Sie gesehen?«
    »Na, Auto. Helle VW-Transporter. Hat was ausgeladen, ist dann weggefahren.«
    »Daran können Sie sich nach sechs Wochen noch erinnern?« Eigenartig.
    »Ja, weil...« Er lacht wie ein Junge. »Ist zügig gefahren und hat Licht erst angemacht, als er von Hof war. Konnte man gut sehen, dass eine Bremslicht kaputt war.«
    »Ein Bremslicht war kaputt? Wissen Sie noch welches?«
    Er sieht nach rechts oben. »Ne, schwer zu sagen. Aber kaputt war eins, hab ich noch gedacht, als er bremste.«
    »Was für ein Auto war das?«
    »Helle VW-Transporter.«
    »Ein VW-Transporter? Ein heller? Da sind Sie so sicher?«
    »Ja, bin sicher. Mit Autos weiß ich Bescheid, gut.«
    »Haben Sie das Kennzeichen gesehen?«
    »Ne«, Kopfschütteln, »hab ich nicht drauf geachtet.«
    »War sonst was am Fahrzeug?«
    »An der Seite war Schrift, glaub ich, helle Schrift.«
    »Konnten Sie erkennen, was da stand?«
    Er schüttelt den Kopf. »War dunkel. Und ich müde, wollte eigentlich nur pinkeln.«
    Klingt doch ganz plausibel. Hat ganz wache Augen, der Bursche.
    »Haben Sie zwanzig Minuten Zeit, Herr Aleksa, wir müssten das natürlich aufschreiben.« Hat er. »Dann kommen Sie mal mit.« Durch die Schwingtür, er trottet hinterher. »Und Sie sind nur alle sechs Wochen hier?«
    »Nein, eigentlich jede Woche. Bin jetzt aber für Kollegen andere Tour gefahren, Hamburg.«
    Schade.
    Er setzt sich, der Bildschirm springt an.

23 Uhr 36
    Zu eng. Oder? Weiter. Da hinten unter der Platane. Steht ein Roller drin. Mitdenker. Kann der sich nicht auf den Bürgersteig stellen? Wieder zurück. Schon sehr eng hier, vorsichtig probieren. Bisschen knapp, geht aber. Beim Öffnen schlägt die Tür an, dunkelblauer Volvo. Shit. Nichts zu sehen. Zum Glück.
    Der Nebel gibt den Straßenlaternen einen blassen Hof, bei Sener nur die Notbeleuchtung. In der Tür das »Geschlossen«-Schild. Wo ist der? Schon zwei Tage, hat nichts gesagt. In der Wohnung im ersten Stock auch alles dunkel. Martha war auch nicht zu erreichen vorhin, morgen noch mal probieren.
    Zwischen den parkenden Autos durch schlängelt sich eine Fußgängerin, geht voraus, zügig. Kleine Schritte, Handtasche, heller Hut. Frau Gierth. Um diese Zeit. Nach Spaziergang sieht das nicht aus. Wo war die denn? Etwas schneller hinterher, sie sieht sich nicht um, fast auf gleicher Höhe, kein Blick.
    »Nabend, Frau Gierth.«
    »Mein Gott, Herr Kirchenberg«, sie bleibt stehen, schlägt sich die Hand vor die Brust. »Ich hab Sie gar nicht erkannt.«
    »Ich wollte Sie nicht erschrecken, tut mir leid. Wofür haben Sie mich denn gehalten, für einen Meuchelmörder?«
    »Man weiß ja nie...« Sie geht weiter, langsamer, lockerer, kann schon wieder lachen. »So spät bin ich in meinem Alter ja auch selten vor der Tür.« Sie umkurvt wortlos eine Tellermine, Fußballgröße.
    »Na, ja, ich hab schon mit dem Gedanken gespielt, Ihnen leise meine Hand auf die Schulter zu legen...«
    »Wenn Sie den Tod einer alten Frau verantworten können.« Unbeschwertes Lachen. »Gerade heute Abend. Ich war im Kino. Im Programmkino am Bahnhof zeigen sie diese Woche Gerichtsfilme. Herrlich, leider alle so spät. Heute war ›Zeugin der Anklage‹, hab ich in meiner Jugend schon mal gesehen.«
    »Das kann ich mir vorstellen, dass das Ihr Thema ist.«
    »Natürlich.« Pause. »Ich wäre schrecklich gern Staatsanwältin geworden,
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