Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutseele

Blutseele

Titel: Blutseele
Autoren: Kim Harrison
Vom Netzwerk:
Ich kann Dad fragen, was er denkt, was ich tun sollte.«
    Robbie fiel die Kinnlade runter. »Lass mich schauen«, sagte er und beugte sich über das Buch. »Heilige Scheiße«, hauchte er, und seine Finger auf der Seite zitterten. »Du hast recht.« Er lächelte, als er wieder aufsah. »Ich sage dir was«, meinte er dann und lehnte sich mit einem Gesichtsausdruck zurück, den ich kannte – den hatte er immer, wenn er kurz davor war, mich in Schwierigkeiten zu bringen. »Du wirkst diesen Zauber, um Dad zu beschwören, und dann fragst du ihn. Wenn es funktioniert, tust du, was er sagt.«
    Mein Puls beschleunigte sich. »Du hast gesagt, es ist ein Zauber der achthundertsten Ebene.«
    »Ja. Und?«
    Ich dachte eine Minute lang nach. »Und wenn er sagt, dass ich zur I.S. gehen soll?«
    »Dann unterschreibe ich deine Bewerbung höchstpersönlich. Mom hat mir direkt nach Dads Tod die Vormundschaft für dich übertragen.«
    Ich schien nicht genug Luft zu bekommen. Das war ein Ausweg. »Und wenn ich es nicht schaffe? Was dann?«
    »Dann kommst du mit mir nach Portland und machst deinen Master, um jeden einzelnen Zauber in diesem Buch zu beherrschen. Aber du musst den Zauber selbst wirken. Von Anfang bis Ende. Von vorne bis hinten.«
    Ich atmete tief durch und las mir die Seite noch einmal durch. Zumindest war er nicht auf Lateinisch geschrieben. Wie schwer konnte es schon sein?
    »Abgemacht«, sagte ich und streckte die Hand aus.
    »Abgemacht«, wiederholte er. Und dann gaben wir uns die Hand drauf.

2

    Ich kniff die Augen zusammen und ging in die Knie, um auf die Höhe des Messbechers zu kommen. Meine Knie protestierten mit dem vertrauten Schmerz, als ich drei Zentiliter Weißwein abmaß. Es war neuer Wein, aber das spielte keine Rolle, solange die Trauben hier in Cincinnati gewachsen waren und so die Essenz des Landes in sich trugen, auf dem mein Dad gelebt hatte und gestorben war.
    Im kritischen Moment lenkte mich Moms Lachen aus dem anderen Zimmer ab, und ich schüttete zu viel Wein in den Becher. Sie hatte sich mit Robbie ins Wohnzimmer zurückgezogen, weil sie dachte, ich bastelte an einem LastMinute-Sonnwendgeschenk und sie dürfte die Küche unter keinen Umständen betreten. Was bedeutete, dass ich gerade versuchte, diesen dämlichen Zauber ohne Robbies Hilfe hinzukriegen. Und genau deswegen wollte ich Runner werden. Ich wäre so verdammt gut, dass ich es mir leisten könnte, meine Zauber zu kaufen.
    Ich verzog das Gesicht, als ich aufstand und auf den zu vollen Messbecher starrte. Dann warf ich einen kurzen Blick in Richtung Flur, bevor ich ihn an die Lippen hob und einen Schluck nahm. Der Alkohol brannte wie mein Gewissen, aber als sich die Flüssigkeit wieder beruhigt hatte, war es genau die richtige Menge.
    Befriedigt schüttete ich es in Moms Tiegel. Sie hatte ihn am Nachmittag mit einem feinkörnigen Schleifpapier bearbeitet, um alle Spuren früherer Zauber zu beseitigen, als wäre es nicht genug, ihn in Salzwasser zu tunken. Mom war begeistert gewesen, als ich sie darum gebeten hatte, ihre alte Zauberausrüstung verwenden zu dürfen. Es war mir – bei ihrem überenthusiastischen Wunsch mir zu helfen – schwergefallen, alles zu finden, was ich brauchte. Selbst jetzt konnte ich in ihrer Stimme die Aufregung darüber hören, dass ich mich für ihr Fachgebiet interessierte. Ihre forsche Stimme war lauter als gewöhnlich und hatte einen Unterton, den ich schon lange nicht mehr gehört hatte. Obwohl das vielleicht auch einfach daher kam, dass Robbie mal wieder zu Hause war.
    Ich lehnte mich über das Buch und las die Notiz ganz unten auf der Seite: »Wein und heiliger Staub sind stets die nötigen Bausteine, um Geistern Körper zu verleihen.« Ich kratzte mir die Nase und warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Es dauerte ewig, aber ich hätte alles getan, um noch mal mit meinem Dad reden zu können, selbst wenn der Zauber nur bis zum Morgengrauen hielt.
    Es war schon fast elf. Robbie und ich würden bald aufbrechen müssen, um uns einen guten Platz am Fountain Square zu sichern. Meine Mom dachte, Robbie nähme mich mit auf das Takata-Konzert, tatsächlich aber brauchten wir einen ziemlichen Energieschub, um die Aktivierung des Zaubers zu unterstützen. Obwohl wir diese Energie auch auf dem Konzert finden konnten, war es einfacher, sich in die Ener gie einzuklinken, die von Hunderten von Hexen ausgestrahlt wurde, die sich alle um Mitternacht auf das Schließen des Kreises konzentrierten.
    Eigentlich hatte ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher