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Blutseele

Blutseele

Titel: Blutseele
Autoren: Kim Harrison
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Rührstab fand. Ich war fast fertig, aber meine Freude ver puffte, als Robbie fragte: »Hast du mal darüber nachgedacht, mit mir zu kommen? Du und Rachel, ihr beide?«
    Ich erstarrte mit klopfendem Herzen. Was zur Hölle? Wir hatten eine Abmachung!
    »Nein«, antwortete meine Mom mit Bedauern in der Stimme. Ich rührte den Staub im Uhrzeigersinn unter, aber eigentlich war ich mehr auf die Stimmen aus dem Wohnzimmer konzentriert.
    »Dad ist jetzt schon eine ganze Weile fort«, flehte Robbie. »Du solltest endlich wieder leben.«
    »Nach Portland zu ziehen würde überhaupt nichts ändern.« Die Antwort kam schnell und entschieden. Wann immer sie diesen Ton anschlug, musste man nicht weiter mit ihr reden. »Rachel muss hier sein«, fügte sie hinzu. »Hier ist ihr Zuhause. Hier leben ihre Freunde. Ich werde sie nicht entwurzeln. Nicht, wenn sie endlich wieder anfängt, sich in ihrer Haut wohlzufühlen.«
    Ich zog eine Grimasse und legte den Rührstab beiseite. Ich hatte nicht viele Freunde. Als Kind war ich zu krank gewesen, um Freundschaften zu schließen. Die Mädchen im College behandelten mich wie ein Kind, und nachdem die Jungs rausgefunden hatten, dass ich noch minderjährig war, hielten sie sich ebenfalls von mir fern. Vielleicht war ein Umzug gar keine so schlechte Idee. Dann könnte ich jedem erzählen, ich wäre schon einundzwanzig. Aber das würden sie mir nie glauben, flachbrüstig wie ich war.
    »Ich kann dafür sorgen, dass die Uni sie aufnimmt«, meinte Robbie in dem drängenden Tonfall, den er schon oft eingesetzt hatte, um uns aus Schwierigkeiten rauszureden. Meistens hatte es geklappt. »Ich habe eine tolle Zwei-Zimmer-Wohnung, und sobald sie dort wohnt, kann ich die Studiengebühren bezahlen. Sie muss einfach öfter mal in die Sonne.«
    Wir hatten eine Abmachung, Robbie, dachte ich und starrte in den leeren Flur. Er versuchte, mich zu überrumpeln. Es würde nicht funktionieren. Ich würde den Zauber richtig wirken, und dann musste er die Bewerbung unterschreiben, und ich konnte mich bei der I.S. vorstellen.
    »Nein«, antwortete meine Mom. »Außerdem, falls Rachel ihre Studien vertiefen will, hat auch Cincinnati einen guten Erdmagie-Studiengang.« Es folgte ein vielsagendes Zögern. »Aber ich danke dir.«
    »Hat sie dir erzählt, dass sie Kampfsportkurse macht?«, fragte sie dann, um das Thema zu wechseln. Bei dem Stolz in ihrer Stimme musste ich lächeln. Die Hälfte mit dem Zitro nensaft war fertig, und ich griff nach dem Mörser mit der Mischung aus Wein und Stechpalme.
    »Sie hat gerade erst ihren schwarzen Gürtel bekommen«, fuhr meine Mom fort, als ich das Ganze keuchend noch etwas feiner zerrieb. »Ich wollte, dass sie es dir erzählt, aber …«
    »Sie hat die Berlinetta dafür verkauft«, beendete Robbie bedrückt ihren Satz. Ich grinste. »Ja, sie hat es mir erzählt. Mom, Rachel muss nicht wissen, wie man kämpft. Sie ist nicht stark. Sie wird es niemals sein, und sie in dem Glauben zu belassen, dass sie alles tun kann, sorgt nur dafür, dass die Enttäuschung später größer wird.«
    Ich erstarrte und fühlte mich, als hätte er mir eine Ohrfeige verpasst.
    »Rachel kann alles erreichen!«, sagte meine Mom kämpferisch.
    »Das meine ich nicht, Mom …«, flehte er. »Ich weiß, dass sie es kann, aber sie ist so auf all die körperlichen Aktivitäten fixiert, obwohl sie in ihrem Bereich eine erstklassige Hexe werden kann, wenn sie sich nur bemüht. Sie ist gut, Mom«, drängte er weiter. »Sie ist gerade da drin und wirkt einen komplizierten Zauber, ohne dabei mit der Wimper zu zucken. Das ist ein seltenes Talent. Das kann man nicht lernen.«
    Als er meine Fähigkeiten lobte, kämpften Wut und Stolz in mir. Meine Mom schwieg, und ich kanalisierte meine Frustration in meine Stoßbewegungen im Mörser.
    »Ich sage ja nur«, fuhr er fort, »dass du sie vielleicht dazu bringen könntest, nicht mehr Supergirl sein zu wollen und ihr klarmachst, dass manche Männer kluge Frauen mit Brille genauso sehr mögen wie harte Frauen in Stiefeln.«
    »Der Grund dafür, dass Rachel so schwer daran arbeitet, allen zu beweisen, dass sie nicht schwach ist, ist der, dass sie es ist«, erklärte meine Mom, und plötzlich tat mein Magen weh. »Sie sieht es als Fehler, und ich werde ihr nicht sagen, dass sie damit aufhören soll, diese Schwäche überwinden zu wollen. Sie definiert sich über Herausforderungen. So hat sie überlebt. Und jetzt halt den Mund und iss noch einen verdammten Keks. Hier läuft
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