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Blutschuld

Blutschuld

Titel: Blutschuld
Autoren: Karina Cooper
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Miss Ishikawa.«
    Ihre Schulterpartie verspannte sich. Die Bewegung war kaum wahrnehmbar. Einem weniger aufmerksamen Beobachter, und Phin hatte Miss Ishikawa gerade sehr aufmerksam im Blick, wäre es entgangen. Der Blick, der ihn gedankenschnell traf, war rasiermesserscharf. In diesem Sekundenbruchteil kam es Phin so vor, als hätten diese bemerkenswert tiefblauen Augen   – fast schon veilchenblau waren sie   – ihn vermessen. Sie hatten ihn Zoll um Zoll kategorisiert: von den teuren Schuhen und dem Anzug, noch zerknautscht von ihrem Zusammenstoß, bis hinauf zu seinen braunen Locken. Und zum krönenden Abschluss war er in eine Schublade gesteckt worden. Phin war sich alles andere als sicher, ob deren Aufschrift schmeichelhaft für ihn war.
    Dann verzog sich Miss Ishikawas Mund zu einem unbeschwerten, strahlenden Lächeln.
    Das Lächeln schnitt Phin tief ins Herz, was nicht hätte sein dürfen. Sein Magen verkrampfte sich; schlagartig war er sich seiner selbst in aller Klarheit bewusst.
    »Naomi«, verbesserte sie ihn.
    »Gut, dann Naomi.« Er streckte ihr die Hand entgegen. »Phinneas Clarke. Herzlich willkommen im Zeitlos . Normalerweise sind wir bemüht, nicht unaufgefordert Hand an unsere Gäste zu legen.«
    Ihr Blick zuckte zu seiner Hand hinunter. Als ihm Naomi Ishikawa dann ihre reichte, war ihr Griff fest, die Haut so kühl, dass sie sich ein klein wenig feucht anfühlte. Phin gelang es, seine Überraschung zu verbergen, als sein Daumen über aufgeschürfte Fingerknöchel strich: Er blickte nicht auf ihre Hand hinunter; nicht einmal ein Wimpernzucken verriet ihn.
    Ärger auf zwei Beinen. Definitiv jede Menge Ärger.
    »Nichts passiert.« Naomi Ishikawa entzog ihre Hand eine Spur früher, als es den Benimmregeln der besseren Gesellschaft nach höflich gewesen wäre. Phin entging nicht, dass sie sich die Handfläche am eleganten Wollpullover abwischte. »Haben Sie sonst noch jemanden aus diesem Aufzug kommen sehen?«
    »Nicht bevor Sie in mich hineingelaufen sind.«
    »Verdammt!« Rasch wanderte ihr Blick einmal über das gesamte Atrium und den kleinen Park hinter Phin. Den großzügig bemessenen Innenhof erhellte das gedämpfte Licht einiger Laternen, die unter den Bäumen des sorgfältig angelegten Landschaftsgartens platziert waren. »Was macht Ihr Kopf? Alles in Ordnung damit?«
    Ihr Gesicht lag im Schatten; daher war ihr Blick nicht leicht zu lesen. Phin hatte keine Ahnung, was der asiatisch angehauchten Schönheit gerade durch den Kopf ging. Ob er allerdings bei Tageslicht und genug Sonnenschein mehr Glück beim Entschlüsseln gehabt hätte, konnte er nicht sagen.
    Faszinierend.
    Er schenkte ihr ein schiefes, entschuldigendes Lächeln. »Och, der hat schon Schlimmeres mitgemacht. Aber das war immerhin eine besondere Art, sich kennenzulernen.«
    Naomi Ishikawa legte den Kopf in den Nacken und blickte hinauf in den Abendhimmel, der sich Stockwerk um Stockwerk über ihnen jenseits der großen Lichtkuppel wölbte. »Sie hatten es doch eilig, in den Fahrstuhl zu kommen«, bemerkte sie und strich sich eine schwarze Haarsträhne hinters Ohr. »Bitte, lassen Sie sich von mir nicht aufhalten.«
    Es war lange her, dass Phin sich derart umfassend und endgültig aus einer Unterhaltung entlassen gefühlt hatte. Wie einen Fehdehandschuh nahm er die Herausforderung an, die er tief in seinem Herzen verspürte. »Eigentlich war ich auf dem Weg zu Ihnen.«
    Eine schmale Augenbraue hob sich. »Zu mir?«
    »Um mich Ihnen vorzustellen.«
    Sie gab einen unverbindlichen Laut von sich. Phins Blick wanderte hinunter zu ihrem Mund. Er konnte nicht anders: Ihm schoss der Gedanke durch den Kopf, wie wunderbar es wäre, von diesen vollen Lippen zu kosten. Die Oberlippe hatte einen herrlich lasziven Schwung. Naomi Ishikawa war auf ihren Stiefelabsätzen fast so groß wie er. Phin hätte nur ein klein wenig den Nacken beugen müssen, um die Distanz zwischen seinem Mund und diesen Lippen zu überbrücken.
    Damit würde er sich ganz gewiss einen gemeinen rechten Haken einfangen, sofern der Zustand von Miss Ishikawas Fingerknöcheln etwas zu bedeuten hatte. Nein, danke, lieber nicht. Phin mochte sein Gesicht genau so, wie es momentan war.
    Naomi Ishikawa beobachtete ihn und steckte die Hände in die Vordertaschen ihrer knappen, auf der Hüfte sitzenden Jeans.
    »Und jetzt, wo ich erfolgreich Eindruck bei Ihnen hinterlassen habe«, fuhr Phin mit belegter Stimme fort, »lasse ich Sie gehenund beenden, was immer Sie vorgehabt haben zu
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