Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee
Autoren: C Box
Vom Netzwerk:
andere ums Lenkrad klicken ließ. Dann riss er die Beifahrertür auf, sprang aus dem Wagen und verschwand wild um sich schlagend zwischen den Bäumen.
    Die Handschellen waren ein altes Modell, für das ein kleinerer
Schlüssel nötig war als bei denen, die Joe inzwischen benutzte. Er durchforstete Handschuhfach, Mittelkonsole und ein halbes Dutzend anderer Orte, wo er den Schlüssel hingelegt haben mochte, konnte ihn aber nicht entdecken. Wie jeder Jagdaufseher lebte Joe praktisch in seinem Wagen, der voller Ausrüstung, Kleidung, Werkzeug, amtlichen Unterlagen … eben voller Zeug war. Doch der richtige Schlüssel für die alten Handschellen war nicht aufzufinden.
    Er brauchte zwanzig Minuten und sein Taschenmesser, um die Kappe vom Lenkrad abzubekommen und die Schrauben zu lösen, die es mit der Lenksäule verbanden. Maxine hatte ihren nassen Kopf auf seinem Schoß und beobachtete ihn mitleidig. Dicke Flocken, die durch die offene Beifahrertür hereinwehten, sammelten sich auf dem Wagenboden und dem Rand der Vorderbank.
    Kochend vor Wut schritt Joe im Schneesturm durch den Wald. In der Linken hatte er seine Schrotflinte, während ihm das Lenkrad, das noch immer an seiner Rechten hing, vom Handgelenk baumelte.
    »Lamar, verdammt, Sie werden in diesem Wetter sterben, wenn Sie nicht umkehren!«, brüllte er. Der Sturm und die Bäume dämpften seine Stimme, und selbst ihm erschien sie blechern und hohl.
    Joe blieb stehen und lauschte. Er glaubte, das ferne Grollen eines Motors und vielleicht eine Wagentür gehört zu haben, und vermutete, wer dort unterwegs war, tat das, was er selbst hätte tun sollen, zog sich also auf eine niedrigere Höhe zurück. Die Geräusche mochten von unterhalb des Waldstücks vor ihm gekommen sein, doch sie waren sehr leise gewesen, und Joe war sich dessen nicht ganz sicher.
    Lamar Gardiner aufzuspüren, sollte ein Kinderspiel sein, dachte er und lauschte auf knackende Äste oder auf Gardiners
Stöhnen und Schluchzen. Doch außer dem Sturm war nichts zu hören.
    Er taxierte seine Lage und fluchte in sich hinein. Gardiner war nicht der Einzige, der einen erbärmlichen Tag hatte. Joes Gefangener war geflohen, er hatte keinen Funkkontakt zur Zentrale, der Schnee lag schon fünfzehn Zentimeter hoch, in spätestens einer Stunde würde es finster sein, und am Handgelenk hing ihm ein Lenkrad.
    Wenn ich Lamar finde, habe ich die Wahl, ihn zum Pick-up zurückzuschleifen oder ihn mit der Schrotflinte zu erschießen, dachte er bitter. Einen Augenblick lang neigte er zur zweiten Option.
    »Lamar, Sie werden in diesem Sturm sterben, wenn Sie nicht zurückkommen!«
    Nichts.
    Es war leicht, Gardiners Spur zu folgen, obwohl sie sich sofort mit frischem Schnee füllte. Lamar hatte zwischen den Stämmen mehrfach Haken geschlagen, war einige Male von umgestürzten Bäumen zu Umwegen gezwungen worden und hatte dann komplett die Richtung gewechselt. Er schien kein anderes Ziel zu haben, als sich von Joe zu entfernen.
    Der Untergrund wurde immer rutschiger. Unterm Schnee befand sich ein Durcheinander feuchter, glitschiger Äste, und Wurzeln griffen nach Joes Stiefeln. Gardiner war mehrmals gestürzt, wie der zerwühlte Boden verriet.
    Wenn er zu seinem Auto zurückwill, dachte Joe, hat er den falschen Weg genommen. Und wie wahrscheinlich ist es obendrein, dass er einen Ersatzschlüssel dabeihat?
    Ein morscher Ast verfing sich im Lenkrad und brachte Joe mit einem Ruck zum Stehen. Erneut fluchte er und trat einen Schritt zurück, um das Steuer freizubekommen. Dann wischte er sich den Schnee aus dem Gesicht und schüttelte
Flocken von Jacke und Stetson. Wieder lauschte er. Er glaubte nicht, dass Gardiner plötzlich gelernt hatte, wie man heimlich durch den Wald schlich, während Joe ihm ächzend und krachend nachsetzte.
    Er blickte zu Boden und erkannte, wie frisch Gardiners Spur war. Nun sollte er ihn jeden Moment einholen.
    Joe lud die Schrotflinte durch, in der Hoffnung, dieses Geräusch werde Gardiner endlich zur Einsicht bringen.
    Die Bäume wurden lichter, und Joe folgte der Spur, die zwischen ihnen durchführte. Blinzelnd spähte er nach vorn. Gardiners Spur lief im Zickzack von Baum zu Baum und endete an einer mächtigen Fichte.
    »Okay, Lamar«, rief er, »Sie können jetzt rauskommen.«
    Hinter dem Baum regte sich nichts, kein Laut war zu hören.
    »Wenn wir vor der Dunkelheit in der Stadt sein wollen, müssen wir uns jetzt auf den Weg machen.«
    Schnaubend schulterte Joe die Flinte und schlug einen Bogen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher