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Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee
Autoren: C Box
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kann ich die Mistkerle einfach nicht erwischen.«
    »Bis heute«, gab Joe zurück.
    Gardiner rieb sich das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Bis heute«, wiederholte er. »Ich bin erledigt.«
    Gut möglich, dachte Joe. Ohne Zweifel würde Lamar seinen Posten in der Forstverwaltung verlieren, und Joe glaubte nicht, dass er in der Stadt eine andere Arbeit finden würde. Selbst falls es ihm doch gelang, würde er damit sehr wahrscheinlich nur einen Bruchteil dessen verdienen, was er als langjähriger Bundesbeamter an Bezügen und Zulagen eingestrichen hatte. Obendrein war Joe klar, dass die Lokalzeitung von Saddlestring Lamar Gardiner in der Luft zerreißen würde – und die Gerüchte, die die Leute beim Frühstückskaffee austauschten, würden das ihre tun. Zwar war Gardiner nie beliebt gewesen, doch nun würde er zum Paria werden. Anders als bei anderen Verbrechen gab es keine Nachsicht mit Wilderern – und praktisch kein Mitleid mit ihnen. Die Wapitiherden in den Bighorns waren für die Leute Gemeinschaftsgut, und ihrem Wohlergehen galten erhebliche Aufmerksamkeit und so manche Debatte. Viele Bewohner des Twelve Sleep County ertrugen ihre schlecht bezahlten Jobs und die lausigen Perspektiven vor allem wegen des Lebensstils, den die Gegend ihnen bot – und dazu gehörten ganz wesentlich die guten Jagdbedingungen. Nichts provozierte bösere Reaktionen als
die Beeinträchtigung von Gesundheit und Wohlergehen des Wildbestands und seiner Lebenswelt. Während es vollkommen zulässig, ja erwünscht war, dass jeder Jäger pro Jahr ein Wapiti schoss, würde das stumpfsinnige Abknallen von sieben Tieren durch einen Einzelnen größte Empörung auslösen – zumal, wenn der Schuldige ein Beamter der Bundesverwaltung und für Straßensperrungen, die Verweigerung von Weiderechten und das Verbot von Holzschlag verantwortlich war.
    Joe konnte nicht begreifen, was Lamar Gardiner überkommen hatte. Wenn so eine Wut unter der Haut eines derartigen Angsthasen lauerte, waren die Berge ein gefährlicherer Ort, als er es sich je hätte träumen lassen.

    Der schmale Weg zum Rand der Senke hinauf war felsig und steil, und der böig heranwirbelnde Schnee machte es schwer, ihn klar zu erkennen. Der Pick-up schlingerte mehrmals auf dem nassen Untergrund. Wenn das so weiterschneit, dürfte es schwer werden, morgen nochmal in diese Senke zu fahren, dachte Joe.
    Sie fuhren durch dichten Wald, als Joe plötzlich einfiel, dass Maxine sich auf der Ladefläche bei den Wapitis befand. Im Rückspiegel sah er, wie sie sich ans Führerhaus drückte; sie hatte viel Schnee im Fell und Eiskristalle um den Mund.
    »Haben Sie was dagegen, wenn ich meinen Hund reinlasse? «, fragte Joe und hielt auf einem kurzen Stück ebenen Wegs zwischen zwei Steigungen.
    Gardiner zog ein Gesicht, als schlüge dies dem Fass den Boden aus, und seufzte theatralisch.
    »Mein Leben ist voll und ganz zerstört«, jammerte er. »Da kann ich wohl auch noch einen nassen, stinkenden Hund auf den Schoß nehmen.«

    Joe verkniff sich eine Bemerkung. Er konnte sich nicht erinnern, je etwas so Erbärmliches gesehen zu haben wie Gardiner, der tränenüberströmt, ohne Kinn und mit blutunterlaufenen Augen neben ihm saß.
    Als Gardiner Maxine die Tür öffnete, stieß er mit dem Knie zufällig an den Knopf des Handschuhfachs. Der Riegel ging auf, und ein Fernglas, Handschuhe, Ersatzhandschellen, Landkarten und Post landeten auf dem Boden. Gardiner wollte das Durcheinander aufsammeln, doch in diesem Moment sprang der Hund herein und kollidierte mit ihm.
    Gardiner schrie auf und stieß Maxine unsanft zwischen sich und Joe.
    »Ruhe jetzt«, sagte Joe zu Gardiner wie zu Maxine. Das zitternde Tier war begeistert, eingelassen worden zu sein. Der Geruch nach nassem Hund erfüllte das Führerhaus.
    »Ich bin ganz nass, verflixt!«, stöhnte Gardiner, musterte seine erhobenen Hände und fuhr mit fast schon hysterischer Stimme fort: »Verdammt und verflucht sollen Sie sein! Das ist der schlimmste Tag meines Lebens!« Seine Hände flatterten wie freigelassene Vögel, und er kreischte: »Ich drehe durch!«
    »Ruhe jetzt!«, befahl Joe erneut.
    Die Verzweiflung im Führerhaus stand in bizarrem Gegensatz zur vollkommenen Stille der Berge inmitten des heftigen Schneefalls, und einen Moment lang hatte Joe Mitleid mit Lamar. Dieser Augenblick ging jedoch vorüber, als Gardiner sich über Maxine beugte und mit einer ebenso raschen wie unerwarteten Bewegung eine Handschelle um Joes Handgelenk, die
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