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Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee
Autoren: C Box
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verlassen? Oder etwa nicht?

    Er wünschte, er wäre nüchtern.
    Er bog um die Ecke und bemerkte vor der Forstverwaltung im Schneetreiben einen Geländewagen des Sheriffbüros und einen Streifenwagen der Bezirkspolizei. Blaue und rote Signallichter blitzten. Die Tür des Geländewagens war offen, als sei der Hilfssheriff eben herausgesprungen. Joes Pick-up parkte noch vor dem Haus – genau wie Stricklands grüner Bronco. Marybeths Van war nicht da, und Joe seufzte erleichtert auf.

    Er wollte Melinda Strickland nicht wiedersehen. Hatte sie ihm den Sheriff auf den Hals gehetzt? War es zwischen ihr und Marybeth zu einer Auseinandersetzung gekommen, nachdem er das Gebäude verlassen hatte?
    Joe näherte sich dem Bau und öffnete die Tür weit genug, um den Kopf durch den Spalt zu stecken. Der Bourbon hat mich mutig werden lassen, dachte er – oder tollkühn … vermutlich beides. Drinnen war alles wie bei seinem Abgang – bis auf Hilfssheriff Reed, der mit seinem Funkgerät am Rezeptionsschalter stand. Der Mann von der Bezirkspolizei saß auf dem Vinylsofa. Er hatte noch immer seine Winterjacke an, und sein Gesicht wirkte leer und erloschen, als habe er etwas Schreckliches erlebt.
    »Sheriff Barnum?«, fragte Reed in sein Funkgerät. »Wie schnell können Sie in der Forstverwaltung sein? Wir haben einen Anruf bekommen, weil die Eingangstür um sieben Uhr noch offen stand und Lichter im Gebäude brannten. Also hab ich die Sache überprüft und … na ja, es ist was passiert.«
    Joe warf Reed einen fragenden Blick zu, und der wies mit dem Kopf zu dem Flur, in dem Stricklands Büro lag. Wie die Eingangstür war auch ihre Zimmertür angelehnt.

    Joe durchquerte die Eingangshalle. Der Bezirkspolizist wirkte vollkommen fertig. Etwas, das er am Ende des Flurs gesehen hatte, ließ ihn jetzt zur Seite sinken und sich in einen kleinen Papierkorb übergeben. Joe war froh, dass Reed und der Polizist anderes zu tun hatten, als ihn zu fragen, warum er hier war.
    Joe passierte den Empfangsschalter und schaute in Melinda Stricklands Büro. Was ihn dort erwartete, ließ den Alkohol in seinem Blut verfliegen.
    Strickland saß noch in ihrem Sessel, doch ihr Kopf war auf den Schreibtisch gesunken und lag in einer dunkelroten Blutlache. Die Wand mit dem gerahmten Titelblatt der Rumour und mit Bettes Foto war mit Blut und Hirnmasse bespritzt und mit kupferfarbenen Haarsträhnen übersät. Strickland hatte ihre halbautomatische Neun-Millimeter-Pistole aus Edelstahl in der Hand. Eine Patronenhülse auf dem Teppich spiegelte das Deckenlicht. Das Zimmer roch nach Blut.
    Joe würgte und schluckte dann. Der Nachgeschmack des Bourbon war inzwischen so bitter, dass er fast daran erstickt wäre.
    Er wusste, dass es kein Selbstmord war. Erst vor wenigen Stunden hatte er in die Seele dieser Frau geblickt und rein gar nichts darin entdecken können.
    Strickland war keinem plötzlichen Anfall von Schuldgefühlen erlegen. Nein, dachte Joe – jemand hat es auf Selbstmord getrimmt.
    Er wollte die Tür weiter aufdrücken, doch sie klemmte. Er blickte zu Boden und sah etwas unter der Tür stecken.
    Benebelt bückte er sich, um das Hindernis zu entfernen, zog es hervor und studierte es.
    Plötzlich schien alle Atemluft aus seiner Lunge und dem
Büro zu weichen. Er war sich nicht einmal sicher, ob das Stöhnen, das er hörte, von ihm kam.
    Unter der Tür hatte ein kanadischer Reithandschuh der Firma Watson geklemmt – die eine Hälfte des Paars, das er Marybeth zu Weihnachten geschenkt hatte.

37
    Joe blickte in beide Richtungen, als er die Forstverwaltung im Schneetreiben verließ. Es herrschte kein Verkehr. Ein paar Straßen weiter ertönte eine Sirene. Das war Sheriff Barnum oder der Chef der Bezirkspolizei. Der Handschuh steckte in Joes Jackentasche.
    Er war schon aus der Stadt heraus und fuhr auf der Bighorn Road heimwärts, ehe er sich erlaubte nachzudenken. Und er schämte sich seiner Überlegungen. Es war unfassbar.

    Marybeths Wagen parkte vor der Garage, und die Verandalampe brannte, doch die Fenster waren dunkel. Beim Eintreten fiel ihm auf, dass das Haus ausgekühlt und der Thermostat seit dem Morgen nicht hochgedreht worden war.
    Sheridan und Lucy, die vor dem Fernseher oder über ihren Hausaufgaben sitzen sollten, waren nirgendwo zu sehen.
    »Marybeth?«
    »Hier oben.« Ihre Stimme war schwach.
    Er sprang die Treppe hoch und fand seine Familie im Elternschlafzimmer. Lucy schlummerte auf der Tagesdecke am Fuß des Bettes, und Sheridan und
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