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Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Titel: Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)
Autoren: Ernst Haffner
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gewesen, Meester, krank gewesen. Zuerst kriegte ich die Masern und dann mein Kollex“, schwindelt Willi. „Aber jetzt kommen wir wieder regelmäßig. Was wollen Sie denn geben für den ganzen Brast?“ „Für alles? ’n bißchen viel. Woll’n mal sehen.“ „Sagen wir rund dreißig Mark“, schlägt Willi vor. Er bekommt achtundzwanzig und ist auch damit sehr zufrieden. — Wie spät ist es jetzt? Schnell noch einen Happen essen und wieder zu Mutter Bauerbach, das Gepäck holen und adjüs sagen. Dann das Gepäck auf dem Bahnhof deponieren und ab mit dem D-Zug. Ludwig hat sicher schon den Bibber vor Ungeduld. Glaubste vielleicht, ich schaff’ es nicht? Denkste, mein Lieber, denkste! Hoffentlich klappt es mit dem Fahrradmieten in dem Nest.
    Es klappt. Wieviel Pfand wollen Sie für das Rad?“ „Fünfzig Mark.“ „Hier haben Sie. Geben Sie Quittung …, so, und in drei Stunden spätestens bin ich wieder hier.“ Rauf auf den Äppelkahn und ab dafür, Richtung Ludwig. Zeit wird es, Zeit. Jetzt luchst der Ludwig sicher schon, ob die Luft rein ist. Rüber übern Zaun, Ludwig! Ich komm ja schon! Feste, feste! Die Karre läuft gut … So, durch das Dorf, und dann muß der Zwangskasten in Sicht kommen. Feste …, feste! Da hinten, zwischen den drei Bäumen muß ich warten. Halt, das Rad startbereit an den Baum stellen. Ausschau nach Ludwig …
    Er kommt! … Er rennt! Er hat beide Beine in der Hand! Und rast … und rennt! „Ludwig!“ „Willi! … Willi!!“ Die hellen Tränen laufen ihm über die Backen. „Auf die Gepäckstütze, Ludwig. Fertig?“ „Ja.“ Ab! Ab!! Ab!!! „Willi …“ „Halts Maul, Ludwig. Ich muß treten!“ Gib ihm … gib ihm!
    „Hier, Herr Chef, das Rad. Übrigens prima …“ Zum Bahnhof. Nächster Zug? Jetzt haben wir acht Uhr und …! In sechs Minuten ein Personenzug. Zwar nach einer ganz anderen Richtung. Macht nichts. Erst mal weg von hier. Sie haben ein ganzes Abteil für sich. „Einsteigen!“ „Hier, Ludwig, steck dir ’ne Zigarette ins Gesicht.“ Rattatata … rattatata … Die Nacht müssen sie in der Stadt bleiben. In einem einfachen Gasthof essen sie, trinken ein feierliches Glas auf ihr weiteres Glück und legen sich dann bald schlafen. — Früh morgens bekommen sie einen Zug nach Berlin.
    Und wieder Anhalter Bahnhof. Die Nacht verbringen sie wieder in einem kleinen Hotel und morgen wollen sie in der Gegend des Görlitzer Bahnhofs auf die Zimmersuche gehen. Als Brüder Kludas werden sie sich ausgeben, polizeiliche Anmeldung muß natürlich wegfallen. Schade, schade, die Mutter Bauerbach war so ’ne nette Frau … — In der Wiener Straße finden sie etwas geeignetes. Ein halb tauber Flickschneider, wieder in einer Kellerwohnung. Das Zimmer ist so geräumig, daß sie sich eine Ecke als Werkstatt abtrennen können. „Was soll das Zimmer kosten für uns beide?“ brüllen sie dem Flickschneider ins Ohr. Der Alte ist billig. Er fordert acht Mark wöchentlich. Und mitihrem Beruf als Stiefelaufkäufer ist Herr Kratochvill auch einverstanden. Sie fahren wieder zum Anhalter Bahnhof und holen Willis Koffer und das Werkzeug. Ludwig hat seine Sachen natürlich in der Anstalt lassen müssen. „Wer’n schon alles wieder anschaffen“, tröstet Willi. Den Tag verbringen sie mit der Einrichtung ihres Zimmers und der Werkstatt. Abends sitzen sie nach langer Zeit wieder zu Hause und überlegen, welche Straßen sie morgen vom alten Schuhzeug befreien wollen. — —



Über und über bepudert mit dem feinen Staub der Chausseen, durstig und hungrig, übermüdet zum Umsinken schleicht gegen Mitternacht ein Junge die Häuserreihen der Linienstraße entlang, biegt in die Rückerstraße ein und verschwindet in der Klause.
    Es ist Fred, der in Magdeburg mit Jonny und Franzosenfelix verhaftet wurde, vor nunmehr sieben Monaten. Das Jugendgericht in Magdeburg verurteilte Fred, der bisher nicht vorbestraft war, zu acht Monaten Gefängnis. Dann wurde er den Berliner Behörden zugeführt. Wegen eines Autodiebstahles. Vieler anderer Verbrechen verdächtigte man ihn außerdem. Aber Fred hatte in Berlin unerhörtes Glück. Die Leipziger Beamten, die Fred in Leipzig beobachtet hatten, konnten nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen: das ist der Mann gewesen, der das Auto in die Garage brachte. Da Fred alles leugnete, auch Jonny nur vom Ansehen kennen und in einer Clique nie gewesen sein wollte, mußte das Gericht mangels Beweise ein freisprechendes Urteil fällen. Danach bewilligte das
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