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Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Titel: Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)
Autoren: Ernst Haffner
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wir ehrlich arbeiten. Der Beamte sieht seinen Kollegen an. Beide fragen. Was haben Sie denn verdient mit dem Handel? Konnten Sie davon leben?
    Ludwig eilt an den Kleiderschrank. „Hier, Herr Kommissar, sehen Sie, hundertfünfzig Mark gespartes Geld. Ehrlich, ganz ehrlich verdient!“ Seine Hände zerren zitternd dieScheine auseinander, er zählt das Silbergeld auf: „Ehrlich gearbeitet und geschuftet haben wir, Herr Kommissar. Und nu wollen Sie uns wieder einsperren?“ Er geht auf den Beamten zu, faßt ihn an beide Arme: „Lassen Sie uns hier … lassen Sie uns arbeiten! Geben Sie uns richtige Papiere … bitte, bitte, Herr Kommissar!“ Die Beamten merken, daß es kein Zirkus ist, was Ludwig ihnen vormacht. „Setzt euch mal hin, Jungs, wir wollen mal vernünftig reden.“ Willi und Ludwig setzen sich gehorsam, ihre Augen hängen an den Lippen der Beamten. „Wißt ihr, wie wir auf euch gekommen sind?“ „Nein … nein …“ „Vor einer Stunde seid ihr verpfiffen worden. Ein Fremder hat uns angerufen, hier seien zwei Gesuchte zu finden, wißt ihr, wer das gewesen sein kann?“ Die Jungens sehen sich an: Weißt du? Weißt du? „Nein, Herr Kommissar.“ Sie wissen es nicht. Daß es kein Blutsbruder gewesen ist, das nur wissen sie. Aber von der Clique wollen sie nichts erwähnen, das nimmt sich jeder vor.
    „Tja, Jungens ihr wißt ja nun auch, daß wir euch mitnehmen müssen. Vielleicht läßt das Jugendamt euch frei, wenn es erfährt, daß ihr Arbeit habt. Packt man langsam eure Sachen, das Geld müssen wir vorläufig beschlagnahmen und dann kommt.“ „Sie können ja Ihrer Wirtin einen Zettel hierlassen, daß Sie plötzlich verreisen mußten“, schlägt der andere Beamte vor. Ludwig tut es. „Frau Bauerbach, wir müssen ein paar Wochen verreisen. Bewahren Sie unsere Sachen gut auf. Anbei noch Miete für zwei Wochen.“ Mechanisch füllen sie das Leder wieder in den Beutel, rückendas unverkaufte Schuhzeug in eine Ecke und packen ihre persönlichen Habseligkeiten ein. „Fertig?“ „Ja … „Laßt den Kopf nicht so hängen. Ist doch halb so schlimm …“, will der Beamte sie trösten.
    Halb so schlimm, Herr Kommissar? Was wissen Sie von uns? Es ist schlimm, sehr schlimm. Jetzt ist doch alles wieder aus. Jetzt bringt ihr uns wieder in die Anstalt. Bald werden wir es dort nicht mehr aushalten …, wir werden wieder ausreißen …, werden wieder hungern und schließlich bei der Clique landen. Arbeiten, richtig ehrlich arbeiten laßt ihr uns ja nicht … Ihr wollt uns ja nur schikanieren, einsperren und kleinkriegen …, aber helfen und beistehen? Nee …! „Also denn kommt!“ Links und rechts vom Beamten gehen sie. Der andere folgt in einigem Abstand. Sind ja keine Verbrecher …, der, der die Jungens angezeigt hat, ist sicher ein viel größerer Spitzbube, ein gemeiner Fetzen auf jeden Fall. Auf dem Neuköllner Polizeipräsidium wird ein kurzes Protokoll aufgenommen. Morgen früh kommen sie nach dem Alex. Dort wird weiter bestimmt werden.
    Auf besonderes Bitten und Verwendung der beiden Beamten für sie kommen Ludwig und Willi in eine Zelle. Vor kaum zwei Stunden noch saßen sie in ihrer Stube beim Kaffee; jetzt ist eine kahle Zelle ihre Bleibe. „Wer kann das gewesen sein, Willi?“ quält Ludwig sich die Worte ab. Sie grübeln, grübeln, aber für so hundsgemein halten sie keinen ihrer Bekannten. Schlaflos verbringen sie die Nacht. Der Übergang war zu kraß, zu zerstörend. Einiges besprechen sie für den Fall,daß sie getrennt werden. Die hundertfünfzig Mark soll Willi als sein alleiniges Eigentum angeben, er ist ja in sechs Monaten frei.
    Willi rückt dicht an Ludwig heran: „Du, wenn ich frei komm, dann türmst du auch wieder. Geld haben wir. In Berlin treffen wir uns wieder und bleiben zusammen. Auseinanderbringen sollen sie uns nicht.“ „Aber wenn ich ausrücke, Willi, dann suchen sie mich doch gleich bei dir. Du hast dann richtige Papiere, bist gemeldet. Da finden sie mich gleich“, erwidert Ludwig mutlos. „Ich meld’ mich eben nicht. So, wie wir in der Ziethenstraße gewohnt haben, wohnen wir woanders. Was kann schon passieren? Wenn sie es ’rauskriegen, daß ich nicht gemeldet bin, gibt es eine Geldstrafe und dann ziehen wir um. Und wenn sie dich schnappen, dann türmste wieder. Aber unser Geschäft machen wir weiter. Du, Ludwig, Hand darauf, daß wir uns nicht unterkriegen lassen. Nur nicht wieder in die Clique zurück, wir haben doch so gut verdient.“ „Wär schön, wenn wir
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