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Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Titel: Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)
Autoren: Ernst Haffner
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sie mit fünf Mark …
    Ludwig und Willi sitzen in ihrem Zimmer bei der Rentnerin Bauerbach. Eben haben sie dreiundzwanzig Paar Schuhe mit gutem Verdienst an den Händler gebracht. Weit, weit hinter ihnen liegt die Cliquenzeit. Es ist eine stillschweigende Abmachung zwischen ihnen, die Blutsbrüder nicht zu erwähnen. Auch begegnet sind sie noch keinem. Dann und wann mal einer, den man von irgendwoher flüchtig kannte. Sie beachteten ihn gar nicht, und der glaubte dann wohl, sich geirrt zu haben. Das Kneipenleben hatte aufgehört. Gewiß, abends mal ein Glas Bier und ein Kinobesuch, aber sonst wurde mit jedem Groschen geknausert. So geknausert, daß sie in den zwei Monaten beinahe hundertfünfzig Mark hatten sparen können. Frau Bauerbach bekam pünktlich ihre Miete und war mit den soliden Brüdern sehr zufrieden. Auch die leidige Angelegenheit der fehlenden Papiere hatte sich bis jetzt nicht unliebsam bemerkbar gemacht. Für Willi ist die Gefahr sowieso nicht mehr allzu groß. In sechs Monaten ist er mündig. Dann kann er sich Papiere beschaffen. Ludwig allerdings ist jetzt erst neunzehn Jahre alt, den können sie noch zwei Jahre einsperren.
    „Du, Ludwig, wir müssen noch Leder einkaufen“, mahnt Willi. „Gut, können wir gleich machen.“ Sie fahren nach der Invalidenstraße. Da ist eine Lederhandlung, wo sie Engrospreise zahlen. Zehn Pfund Abfalleder kaufen sie, auch Nägel und endlich zwei richtige Schuhmacherschürzen. Die alten Sackschürzen sind schon ganz zerrissen. Sie gehen zum Rosenthaler Platz, um die Untergrundbahn zu benutzen. Aufdem Bahnsteig steht ein junger Mensch, Willi und Ludwig bemerken ihn nicht. Er hat die beiden sofort erkannt.
    Es ist Herrmann Plettner, der Gepäckscheindieb. Die grausamen Prügel in der Laube hat er nicht vergessen. Ludwig und Willi steigen in ihren Zug und setzen sich. Plettner folgt ihnen, bleibt aber an der Tür stehen und beobachtet die beiden. Eine furchtbare Wut glimmt in ihm auf. Wie kann er sich rächen, hauptsächlich an dem, der ihn der Clique ausgeliefert hat? An Ludwig. Der andere, Willi, war ja auch dabei, als er so jämmerlich verprügelt wurde. Als Ludwig und Willi am Rathaus Neukölln aussteigen, folgt Plettner ihnen weiter. Er sieht, wie sie in die Ziethenstraße gehen und im Keller der Frau Bauerbach verschwinden und auch nicht wieder herauskommen. Sein Racheplan ist fertig. Er rennt zum nächsten Telephonautomaten und läßt sich mit dem Polizeipräsidium Neukölln verbinden. Obwohl er nichts von den beiden weiß, steht es für ihn fest, daß die Polizei sich für Ludwig und Willi interessiert. Cliquenburschen haben immer etwas mit der Polizei zu tun, folgert er. Natürlich anonym gibt er die Adresse in der Ziethenstraße an, „… da wohnen zwei, die gesucht werden. Sie müssen aber gleich hingehen, jetzt sind sie in der Wohnung“. Hängt den Hörer ein und zündet sich eine Zigarette an. Das wäre erledigt …, die Jungens wären erledigt …
    Ludwig und Willi sind mit dem Sortieren des Abfalleders beschäftigt, als es an der Haustür klopft. Frau Bauerbach ist zu einem Kaffeebesuch. Ludwig geht an die Tür. Zwei Herren. „Wohnt hier Frau Bauerbach?“ „Ja.“ „Können wir mal’reinkommen?“ Im Zimmer der Jungen legitimieren die Herren sich als Kriminalbeamte. Ludwig und Willi stehen regungslos, obwohl sie das Gefühl haben zu gleiten …, mit rasender Geschwindigkeit in bodenlosen Abgrund zu gleiten. „Sie haben hier gemietet, nicht?“ fragt ein Beamter. „… Ja …, ja …“ „Es sind aber gar keine Untermieter bei Bauerbach gemeldet. Kann ich mal Ihre Papiere sehen?“ Papiere … gemeldet … Hilfe! Wer hilft uns? …
    „Wir … ich … wir haben keine …, keine Papiere …“ „Keine Papiere? Wie heißen Sie denn? Und Sie?“ Willi reißt sich zusammen und gibt seine Personalien an. Der Beamte sieht in sein Fahndungsblatt: „Stimmt. Ausgerückt aus der Anstalt in H., dann werden Sie noch wegen einer anderen Sache gesucht, stimmt‘s?“ Die andere Sache sind die Prügel, die Friedrich gekriegt hat, denkt Willi. „Ja.“ „Und Sie?“ der Beamte wendet sich an Ludwig. Auch er gibt seine Personalien an. Die falschen Kaiweitpapiere sind doch zwecklos. „Was haben Sie denn gemacht, die lange Zeit? Wovon haben Sie denn gelebt?“ erkundigt der Beamte sich. Willi und Ludwig zeigen ihre Schuhmacherwerkstatt, die aufgekauften Schuhe. Ein Hoffnungsschimmer wird in ihnen wach. Vielleicht lassen sie uns laufen, wenn sie sehen, daß
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