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Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)

Titel: Blutsbrüder: Ein Berliner Cliquenroman (German Edition)
Autoren: Ernst Haffner
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Magdeburger Gericht für die Hälfte der acht Monate Gefängnis Bewährungsfrist. Vier Monate verbüßte Fred und wurde dann — inzwischen war Fürsorgeerziehung angeordnet worden — in eine Erziehungsanstalt in der Nähe Berlins gebracht.
    Vom ersten Tage an sann Fred auf Flucht aus der Anstalt. Aber es dauerte zwei Monate, ehe es ihm gelang. Und jetzt, wieder in Berlin, sucht er die Clique, die Blutsbrüder. In der Rückerklause findet er niemanden. Das Lokal ist fast leer.Die Stammgäste kampieren jetzt im Freien, in den Wäldern und an den Seen rund um Berlin. Nur wenn der Magen sich meldet, sehen sie sich wieder in Berlin um, wo für ein paar Tage Lebensmittel aufzutreiben sind. Auch bei Schmidt in der Linienstraße findet Fred keinen Blutsbruder. Endlich, beim Kellner-Max nebenan sitzt Konrad einsam vor einer Orangeade. „Servus, Konrad …“ „Fred! … Fred! Wo kommst du her?“ Fred nimmt Konrads Glas und trinkt es in einem Zug leer. „Woher? Na, Mensch, getürmt!“ „Aus ’n Kahn?“ „Nee, Fürsorge. Hast du Geld, Konrad? Hab’ ich ein Kohldampf …“
    Konrad besitzt ein Zweimarkstück, die Hälfte stellt er Fred zur Verfügung. Sie gehen zu Aschinger am Rosenthaler Platz. Fred verzehrt wolfshungrig eine Erbsensuppe und leert radikal den Brotkorb. Ein kleines Bier, ein paar Zigaretten, das Geld ist alle. Aber Fred ist wieder Fred. Fred, der die Clique hochgebracht hatte, jeder hatte stets eine Handvoll Scheine in der Tasche. „Wo sind die anderen?“ erkundigt er sich. Konrad hat immer nur ein Achselzucken. Heinz hat sich selbst gestellt. Walter und Hans sind vor einem Vierteljahr geschnappt worden. Georg ist von einem jungen Straßenmädchen als Zuhälter erkoren. Hat elegante Kluft und vertrinkt das Geld, das seine Liebste anschafft, in den Kneipen rund um den Bülowbogen. Und der Erwin, der geht hier am Rosenthaler Platz auf den Strich. Für eine Mark … unten in der Bedürfnisanstalt. Den Ulli haben sie damals, am Heiligabend, in seiner Laube verhaftet. Und er selbst, der Konrad, ihm geht es auch nicht gerade bon. Hier mal ’ne Mark, da mal ein Taler. Von Ludwigund dem anderen, dem Willi, weiß Konrad nichts zu berichten.
    Fred denkt nach. „Denn wären nur noch du und der Erwin und ich … gut, holen wir uns ’n paar neue Jungs zu. Mit Jonny hat es ja noch Zeit. Hat achtzehn Monate in Magdeburg gekricht.“ Konrad ist wieder Feuer und Flamme für Fred. Auch Erwin, den sie in der Schnurrbartdiele in der Gormannstraße treffen, ist sofort bereit, sich Fred wieder anzuschließen. Die warme Nacht verbringen die drei im Friedrichshain.
    Am nächsten Tag geht Fred mit Konrad und Erwin arbeiten. Fred hat in den vergangenen sieben Monaten nichts verlernt. Zwei Stunden, dann ist er im Besitz dreier Geldbörsen. Zweiundvierzig Mark. Und abends zählt die Clique schon wieder sechs Mitglieder. In der Elsasser Straße bei Raband sitzen sie. Fred ist zum Bullen ernannt worden. Die Clique Blutsbrüder lebt wieder. Und mit den Blutsbrüdern aberhundert andere Banden und Cliquen auf der Landstraße Berlin.
    Willi und Ludwig? Hausen bei ihrem Flickschneider am Görlitzer Bahnhof. Kaufen und verkaufen weiter altes Schuhzeug und haben so ein bescheidenes Auskommen. Ihre Cliquenzeit ist längst Schwamm drüber . Aber noch lastet es auf ihnen, daß sie unangemeldet wohnen müssen. Jede Minute kann die letzte gemeinsam verlebte gewesen sein. Noch über ein Jahr hängt Ludwig der Klotz, aus der Fürsorge geflüchtet , am Bein. Und so lange kann jede Minute wieder das Unglück über sie hereinbrechen, kann Polizei kommen und Ludwig abholen.
    Zwei, die alle Höllen und Vorhöllen über sich ergehenließen, um der Fürsorgeerziehung zu entgehen. Diese Erziehung, die vor Verwahrlosung schützen will. Der milchzähnige Junge neben dem ausgekochten Cliquenburschen. Die fünfzehnjährige virgo intacta — sie stahl einige Seidenbändchen, etwas Glasschmuck oder etliche Schokoladenplätzchen in Warenhäusern — neben der jugendlichen Prostituierten, die bereits die erste Wismuth- und Salvarsankur hinter sich hat …
    Die Gifte, die das wahllose Zusammenpferchen zeitigen, zeitigen müssen, machen sich bald bemerkbar. Der Junge hat von den Anstaltskameraden gelernt, daß man als milchzähniger, blonder Junge, mit heller weicher Haut, nicht unbedingt vom Stehlen und Einbrechen leben muß, wenn man aus der Anstalt türmt. In der Friedrichstraßenpassage oder im Tiergarten kann man auch verdienen. Sogar in der Anstalt
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