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Blutrose

Blutrose

Titel: Blutrose
Autoren: Margie Orford
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Fingerspitzen über seine heiße Haut. Er konzentrierte sich
auf ihr Gesicht und versuchte, sein Blickfeld klar zu bekommen.
    »Dein Schutzengel.« Ihre Stimme klang rauchig. »Du wirst einen brauchen. Die Namib ist nicht ungefährlich.« Sie streckte ihm die Hand hin. »Ach, du kannst sie nicht schütteln. Entschuldige.« Sie kehrte zu ihrem Feuer zurück und drehte den eisernen Zaunpfosten, den sie daraufgelegt hatte. Die Spitze glühte unheilverheißend.
    »Wasser«, bettelte Riedwaan.
    Ohne auch nur einen Funken Mitgefühl in ihren wasserblauen Augen drehte sich die Frau zu ihm um. »Du musst lernen, netter zu fragen.« Ein Schatten glitt über ihr Gesicht. Eine offene Drohung.
    Sie drückte den Zaunpfosten auf Riedwaans Brust. Noch bevor sich sein Körper unter den Schmerzen zusammenkrümmte, schlug ihm der beißende Geruch von verkohlter Haut in die Nase. Er biss auf seine Unterlippe, bis er den scharfen Geschmack seines Blutes auf der Zunge spürte.
    »Ein perfekter Kreis.« Die Frau bewunderte das Zeichen, das sie ihm eingebrannt hatte. Sie hob den Pfosten an, um ein zweites zu setzen.
    »Gib mir etwas Wasser«, krächzte Riedwaan, den Blick auf ihr Gesicht gerichtet, während er abzuschätzen versuchte, wie weit sie gehen würde, wie viel er ertragen konnte. »Bitte.«
    »Du kannst das noch besser«, lachte sie, wobei die roten Dünen die Kurven ihres Körpers widerspiegelten, aber sie legte den Stab beiseite.
    Riedwaan hatte das Gefühl, im Dunkeln auf einem Drahtseil zu balancieren. Wenn ihm kein Fehltritt unterlief, würde er womöglich etwas Mitgefühl in ihr entfachen können. Falls er es verbockte, würde er abstürzen und eine Salve von Grausamkeiten auslösen.
    Er dachte an Clare und daran, wie weich ihr Gesicht war, wenn sie glaubte, dass niemand sie beobachtete. An Yasmin,
seine Tochter. Sie würde morgen zur üblichen Zeit anrufen.
    Riedwaan wusste, dass er in Ohnmacht fallen würde, sobald er sich treiben ließ. Und wenn sich die Frau treiben ließ, würde der dünne Faden von Mitgefühl abreißen und er würde sterben. Also kämpfte er weiter gegen den Sirenengesang der Ohnmacht an.
    Das Kräfteverhältnis verschieben.
    Das hatte er auf seinem Training für Verhandlungen mit Geiselnehmern gelernt. Das Kräfteverhältnis verschieben und sie dazu bringen, mit dir zu reden, dir zu vertrauen. Dann hatten die Geiseln eine Überlebenschance. Jetzt, wo er selbst die Geisel war, erschien ihm das wie ein verdammt dünner Strohhalm. Anders als Clare hatte er keine Scheu zu wetten, aber im Moment wollte er sich seine Chancen lieber nicht ausrechnen.
    »Sprich mit mir«, sagte Riedwaan, den Blick auf die Frau gerichtet und ohne auf die glühenden Schmerzen in seinen gefesselten Armen, seiner versengten Brust zu achten. Fast wie eine gute Hausfrau legte sie sich alles zurecht. Das Feuer, das Seil, die Pistole. Bisher hatte Riedwaan bei dieser Leichenhaus-Wirtin nicht punkten können. Er musste sie zurückholen.
    »Gib mir Wasser.« Aus seiner Stimme sprach eine Autorität, an die er selbst nicht glaubte. Seine Zunge lag dick in seiner Kehle.
    Die Frau huschte herbei, drückte die Flasche an seinen Mund und ließ die Flüssigkeit hineinlaufen, bis sie heiß an seinen Schlund schlug und ihn würgen ließ. Sie war Riedwaan so nahe, dass er die Wärme ihres Körpers spürte und die aufreizende Mixtur aus Parfüm und Adrenalin roch. Die Haare fielen ihr über die Schulter und strichen über seine Haut. Sie waren gebleicht und porös und hatten die Farbe und Textur von ausgetrocknetem Gras, das nach dem Regen im letzten Jahr
zurückgeblieben war. Der Wüstenwind lud es mit knisternder Spannung auf.
    »Schluck.« Sie hielt sein Kinn in geübtem Griff fest. Riedwaan würgte, seine Lunge brannte, aber der Alkohol brachte ihn schlagartig auf Touren. »Nach dem ersten Mal ist es nicht mehr so schlimm«, sagte sie dann.
    Riedwaan sah ihr ins Gesicht. Ihre Wangen, die geschwungenen Brauen waren elegant und wunderschön, aber ihre Augen waren leer. Er sah nur sein doppeltes, winziges Spiegelbild darin.
    »Wer hat dir das beigebracht?«, fragte er. Er konnte es sich ausmalen. Sie hatte einen so perfekten Mund, so voll und rot. Wie geschaffen für eine bestimmte Art von Liebe.
    Seine Frage schien die Frau so zu verblüffen, dass sie sich ihm gegenüber auf den Boden setzte.
    »Ein Freund?«, tippte Riedwaan. »Ein Lehrer?«
    Sie schlang die dünnen Arme um die Knie, als wollte sie ihre verschüttete Verletzlichkeit vor
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