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Blutrose

Blutrose

Titel: Blutrose
Autoren: Margie Orford
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wenn er so dicht hinter mir stand. Hier.« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Ganz dicht.«
    Riedwaan konnte es nachfühlen. Der Mann dicht hinter ihr, die Hände unter ihren Ellbogen, wie er sie korrigierte, ihr beim Zielen half, wie er über die glatten Oberarme strich und unter die Brüste. Wie er zurücktrat, bevor sie feuerte, und die Entladung beobachtete. Es schien keinen Grund zu geben, warum das nicht sinnlich gewesen sein sollte.
    »Warum hat der Topnaar sie weggebracht?«, fragte Riedwaan.
    »Weiß ich nicht«, ereiferte sie sich. »Ich wusste nicht mal, wer sie wegbrachte. Das ging ja niemanden außer uns etwas an.«
    »Und warum habt ihr nicht aufgehört?«
    »Wir mussten zu Ende bringen, was wir angefangen hatten.« Sie sah ihn an und schien überrascht, dass ihm das nicht einleuchten wollte. »Das hat er mir beigebracht. Das zu Ende zu bringen, was man angefangen hat.« Wie hypnotisiert von den Flammen, stocherte sie im Feuer. »Und ich zahle immer, was ich schuldig bin.«
    »Und jetzt überlässt er es dir, den Dreck wegzumachen?«
    Zorn flammte in ihren Augen auf. »So ist er nicht.«
    Wie auf Kommando surrte ihr Handy. Sie zog es aus der Jeans und warf einen Blick aufs Display. Riedwaan beobachtete den Puls unten an ihrem schlanken Hals. Er schob die
Hände am Baumstamm nach oben an die Verengung. Blut sickerte aus den Wunden, die die raue Borke in seine Haut riss.
    »Wer?«, brachte er heraus. »Wer ist nicht so?«
    Die Frau lachte, und es klang leise und bösartig. »Du hältst dich wohl für besonders schlau, mich zum Reden zu bringen und abzulenken. Glaubst du, das hätten nicht alle versucht?«, feixte sie. »Du wirst dir nicht mehr so viel auf dich einbilden, wenn du ihm erst begegnest. Sobald er fertig ist, macht er mit dir kurzen Prozess.«
    »Womit fertig?«
    »Mit deiner kleinen Psychologen-Freundin.«
    Riedwaan verstummte. Die Einsätze hatten sich soeben beträchtlich erhöht, das wusste die Frau ebenso gut wie er.
    »Willst du sie sehen?« Sie hob ihr Handy hoch, damit Riedwaan das Bild auf dem Display erkennen konnte. Clare, während sie sich umdrehte, erschrocken, in einem schmalen Gang.
    Die nackte Angst brachte sein Gehirn auf Hochtouren. »Und du glaubst, dass er dich holen kommt?«
    »Er kommt bestimmt«, schmollte sie.
    »Er ist fertig mit dir. Er hat sich nicht mal die Mühe gemacht, dich umzubringen, oder?« Die Luft pulsierte. Wieder kam Wind auf, und die Fernsicht nahm ab.
    Für einen Augenblick hatte der Geist des gebrochenen Kindes, das in dieser Frau steckte, die harte Maske ihres Erwachsenengesichts rissig werden lassen. Aber nur für einen Augenblick. Er war verstrichen, als sie sich auszuziehen begann. Sie knöpfte ihr Hemd auf. Es sank zu Boden, dann folgten der BH, die Jeans, die Schuhe, die Uhr, sogar die Ringe.
    Riedwaan schaute ihr wie gebannt zu. Eine kurze Dusche, dann wären alle Spritzer, die sein Blut auf ihrer Haut hinterlassen würde, abgewaschen. Diese perfekte Frau, nackt bis auf die tätowierten Flügel auf ihrem Rücken und die Pistole in ihrer Hand. Sie legte den Sicherungshebel um. Sie war ihm so
nahe, dass er die Wärme spürte, die von ihr ausstrahlte. Er bekam eine Gänsehaut. Sie setzte die Mündung an seine Stirn – kalt wie eine Hundeschnauze – und trat dann zurück.
    Mit leicht angewinkelten Knien und eng angelegten Ellbogen.
    Sie atmete langsam ein.
    Und wieder aus.
    Sie wusste, was sie tat.

54
    Die Sicht wurde immer schlechter. Clare konnte nur noch ein paar Meter weit sehen. Mehr nicht. Der Wind heulte wie eine Todesfee. Er riss den Sand in hochwirbelnden Wellen von den Dünenkämmen und jagte ihn abwärts wie eine Heerschar rachedurstiger Furien, die ihr die Haut zerpeitschten und an Augen und Ohren zerrten. Bald verklebte der stickige rote Staub ihr den Mund. Clare blieb stehen, um sich zu orientieren. Die Bäume standen in einer dichten Gruppe, und die schwarze Borke war mit Glimmer überzogen. Sie kämpfte sich zu dem weit gestreckten Dünenarm auf der windabgeschiedenen Seite durch. Hier war der Sturm nicht ganz so stark, außerdem konnte sie von hier aus die Umrisse der Bäume ausmachen. Sie hatte es fast geschafft. Sie musste nur noch auf den Dünenkamm. Sie suchte nach den Anzeichen für eine menschliche Besiedlung, die es dort geben musste. Eukalyptus. Hier in der Wüste musste ihn jemand gepflanzt und jahrelang gepflegt haben, damit die Pfahlwurzeln in den unterirdischen See hinabtauchen konnten, in dem die Namib ihr
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