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Blutrose

Blutrose

Titel: Blutrose
Autoren: Margie Orford
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seinem bohrenden Blick verstecken.
    »Der Freund deiner Mutter?«
    Die Frau sagte kein Wort, aber sie schauderte kurz. Riedwaan war auf der richtigen Fährte. Er musste sie zum Reden bringen.
    »Deine Mutter?« Der Wind hatte sich gelegt, und Riedwaans Worte hallten in der plötzlichen Stille nach. Die Schmerzen in seinen Armen waren kaum noch zu ertragen. Er war froh darüber. Sie lenkten ihn von der verkohlten Haut auf seiner Brust ab. Er rutschte an seinem Baumstumpf nach oben.
    »Nicht meine leibliche Mutter.« Plötzlich begann die Frau zu sprechen, allerdings ohne Riedwaan anzusehen. »Die Frau, die mich aufnahm, nachdem meine Mutter gestorben war.«
    »Erzähl mir, wozu sie dich gezwungen hat«, versuchte Riedwaan sie zu ködern.
    Die Frau stand auf und ging weg, als hätte sie Riedwaan
nicht gehört. Sie verschwand in der Hütte und ließ ihn allein zurück. Riedwaan schob sich weiter an dem Baumstamm nach oben. Dort wurde der Stamm ein wenig schmaler, offenbar hatte eine Dürrephase sein Wachstum verzögert.
    Als die Frau zurückkam, hatte sie eine Schachtel Mentholzigaretten und ein Feuerzeug dabei. Riedwaan lechzte nach Nikotin, doch noch mehr fürchtete er sich davor, was sie damit anstellen mochte. »Kannst du …«
    »Er war alt«, fiel ihm die Frau ins Wort. »In der Armee, trotzdem roch er immer ungewaschen. Er kam sie oft besuchen.«
    Riedwaan nickte. »Und irgendwann fiel ihm auf, wie hübsch du warst?«
    Wieder schien sie ihn nicht zu hören. »Als ich würgen musste, hat er mich geschlagen, und sie hat mich gezwungen, bis zum Ende weiterzumachen.« Die Erinnerung tanzte wie eine blaue Flamme in den ausdruckslosen Augen, die Riedwaan anstarrten. »Wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat«, sagte sie, »ist es so einfach, damit die Miete zu bezahlen.«
    Riedwaan schob seinen Körper immer weiter nach oben. Inzwischen konnte er die Handgelenke leicht anwinkeln. »Wie alt warst du da?«, fragte er.
    Die Frau hob einen Stock auf und rammte ihn in den Sand. »Elf.«
    Riedwaan meinte die Hand mit den rot lackierten Nägeln vor sich zu sehen, die das kleine, runde Kinn umgriffen, bis das Gesicht sauber gewischt war.
    »Erzähl mir von den Jungen, die du erschossen hast«, sagte Riedwaan.
    »Was soll mit ihnen sein?«, fragte sie.
    »So nahe«, sagte er. »Du warst ihnen so nahe. Ich bin beeindruckt.«
    Ihre Augen strahlten auf. Wieder ein Lichtbogen. Er musste sie dazu bringen, ihn anzusehen.
    »Erzähl mir alles, erzähl mir, wie es war.«

    Sie zögerte.
    »Komm schon«, drängte er. »Du hast doch alle Zeit der Welt, oder? Wenn ich erst weg bin, ist der Spaß aus.« Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen; das konnte er ihr ansehen. Clare wäre stolz auf ihn, dachte er. Allmählich verstand er immer besser, mit Frauen zu reden. »Wie hast du dich dabei gefühlt?«, setzte er nach.
    »Was glaubst du denn?«
    »Als könnte es niemand mit dir aufnehmen. Mächtig.«
    »Noch besser.« Sie kam auf ihn zu.
    »Erzähl es mir. Erzähl mir, wo alles begann.«
    »Ich kann dir erzählen, wo es enden wird.«
    »Mit mir?«
    Die Frau lächelte und zündete ihre Zigarette an. »Warum nicht? Irgendwelche letzte Wünsche?«
    »Eine Zigarette«, sagte er.
    Sie hielt die Zigarette an seine Lippen.
    »Aber wir sind noch nicht am Ende, oder? Warum fängst du nicht mit dem Ersten an, mit Fritz Woestyn?«
    »Ach, so hieß er?«, fragte sie. »Das war ich nicht.«
    »Wer war es dann?«
    Die Frau zögerte. »Spiel nicht den Klugscheißer. Glaubst du, ich würde ihn betrügen, meinen Schutzengel? Ich hab dir gesagt, du brauchst auch einen.«
    »Nicanor Jones?«
    »Er war süß«, seufzte die Frau. »Mein Probelauf.«
    »Und die anderen?«
    »Die haben alle mir gehört. Wie du noch sehen wirst«, prophezeite sie. »Ich habe richtig gut schießen gelernt.«
    »Ich kann es kaum erwarten«, murmelte Riedwaan.
    Die Frau schürte mit dem Zaunpfosten das Feuer. Er glaubte nicht, dass er eine zweite Runde überstehen würde. »Warum?«, fragte er. Es war eine schwache Frage, das war ihm klar, aber er durfte nicht nachlassen.

    »Warum was?« Die Frau zuckte die Achseln.
    »Warum hast du es getan? Aus Liebe?«
    »Wahrscheinlich könnte man es so nennen.« Sie sann über den Gedanken nach.
    »Auf wen warten wir hier mitten im Nichts?«
    »Diesmal« – sie beugte sich zu ihm herab – »bleiben wir beide allein. Ein Tête-à-tête.«
    »Also, warum hast du es getan?«
    »Bei ihm habe ich etwas gefühlt. Ich habe etwas gefühlt,
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