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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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tat, sank Andrej neben
ihm auf den Boden und verlor das Bewusstsein.
    Ohne Abu Dun hätte er es wahrscheinlich nicht geschafft.
Andrej lag auf dem Rücken, als er zu sich kam, und zum ersten
Mal seit langer Zeit war er nicht auf wettergegerbtem Holz und
einer Kruste aus Salz gebettet, sondern auf dem groben Sand
eines Strandes, wohin ihn Abu Dun getragen hatte.
    Düstere Erinnerungsfetzen wirbelten hinter seinen Schläfen
durcheinander. Er spürte, dass er nicht lange bewusstlos
gewesen war – allenfalls wenige Minuten –, und er glaubte noch
ein schwaches Echo des verbissenen Kampfes wahrzunehmen,
den er ausgefochten hatte. Er fühlte sich kraftlos, aber auf eine
Art, die nichts mit körperlicher Schwäche zu tun hatte.
»Wie fühlst du dich?«, fragte Abu Dun.
    »Schrecklich«, sagte Andrej wahrheitsgemäß. Der Nubier
hätte ohnehin keine andere Antwort akzeptiert. »Danke.«
Abu Dun zog die Augenbrauen hoch. »Danke? Wofür?«
»Du hast mir wieder einmal das Leben gerettet«, antwortete
Andrej, während er versuchte, sich auf die Ellbogen
hochzustemmen. Es gelang ihm erst im zweiten Anlauf, und
seine Schulter und vor allem seine rechte Hand schmerzten noch
immer. Als er an sich hinabsah, stellte er fest, dass die Wunden,
die sein Körper davongetragen hatte, schon beinahe verheilt
waren. Noch eine Stunde, und nur noch seine zerrissenen
Kleider würden von dem Geschehenen zeugen.
Andrej konzentrierte sich einen Moment zuerst auf den
Schmerz in seiner rechten Hand, dann auf den in der Schulter
und löschte ihn an beiden Stellen mit einer bewussten
Willensanstrengung aus. Aber da war noch mehr, das sich nicht
so einfach mit einer gedanklichen Übung aus seinem
Bewusstsein verbannen ließ.
In seinem Mund war der grässliche Geschmack von Blut, doch
nicht von Blut, wie er es kannte. Er schmeckte etwas anderes,
etwas Uraltes und Moderiges, das ein leichtes Gefühl von Ekel
in ihm auslöste. Ein düsterer Druck lastete auf seiner Seele. Da
war etwas Fremdes in ihm, auf das er lange Zeit würde achten
müssen, damit es ihn nicht vergiftete und die Bestie in ihm
nährte.
»Genau genommen warst du es, der mich gerettet hat«,
erwiderte Abu Dun, doch Andrej sah dies anders.
»Wenn du ihn nicht abgelenkt hättest, wäre ich niemals nahe
genug an ihn herankommen. Ich glaube, im letzten Moment hat
er geahnt, womit er es wirklich zu tun hat.«
Der Nubier wiegte nachdenklich den mächtigen Schädel und
sagte schließlich: »Ich hätte ihn noch einen Augenblick halten
können, dann hätte er mir wahrscheinlich den Kopf abgebissen.«
Andrej gab es auf. »Also gut«, sagte er, »einigen wir uns auf
ein Unentschieden.«
Abu Dun dachte einen Moment angestrengt über diesen
Vorschlag nach, dann aber schüttelte er heftig den Kopf und sah
fast ein bisschen beleidigt aus. »Kommt nicht infrage«, sagte er.
»Wenn ich es mir recht überlege, war es wirklich so, dass er
dich ohne mein Eingreifen in Stücke gerissen hätte. Du glaubst
doch nicht, dass ich mir die Gelegenheit entgehen lasse, in
Zukunft jedem zu erzählen, dass der berühmte Andrej Delãny
nicht einmal mit einem dahergelaufenen Straßenköter fertig
geworden ist.« Er seufzte. »Andererseits – worüber wundere ich
mich eigentlich? Ohne mich wärst du wahrscheinlich schon vor
einem Jahrhundert umgekommen, so zielsicher, wie du es
immer wieder schaffst, dich in Gefahr zu bringen.«
»Ohne dich«, verbesserte ihn Andrej betont, während er
mühsam aufstand, »wäre ich schon seit Jahrhunderten überhaupt
nicht mehr in Gefahr geraten.«
»Ja«, bestätigte Abu Dun. »Und wie auch? Du wärst ja längst
tot.«
Andrej schnitt ihm eine Grimasse, auf die der Nubier mit
einem breiten Grinsen antwortete, bewegte vorsichtig die
Glieder und ballte schließlich prüfend die rechte Hand zur Faust.
Sie wollte ihm immer noch nicht richtig gehorchen, und er
schätzte, dass es mindestens noch eine Stunde dauern würde, bis
er wieder imstande war, ein Schwert zumindest zu führen, wenn
auch noch nicht damit zu kämpfen.
So sehr ihn ihre kleine Frotzelei entspannt hatte, machte er
sich doch nichts vor. Diesmal hatten sie einfach nur Glück
gehabt. Es war nicht das erste Mal, dass sie auf einen Gegner
stießen, der sich ihren übermenschlichen Kräften als ebenbürtig
erwies – aber selten zuvor waren sie einer Kreatur begegnet, die
ihnen so hoffnungslos überlegen gewesen war. Hätte Andrej
nicht seine stärkste (und für ihn selbst
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